Die dritte Sünde (German Edition)
ausmistete. Ihre vollen Wangen glühten vor Aufregung.
»Was soll ich gehört haben?«, murrte Aaron unwillig. Emily hatte ihm gerade noch gefehlt. Er verspürte wirklich keine Neigung, sich ihr naseweises Geschwätz anzuhören.
»Bist du denn blind und taub?«, versetzte sie schnippisch, »Das ganze Haus weiß es schon, selbst die Knechte in den Ställen draußen.«
Aaron setzte die Mistgabel ab, wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn und schaute die füllige Küchenmagd kurz auffordernd an. »Nun, dann sag schon, bevor du platzt.«
Emily zog eine Schnute. Sie hatte die unhöfliche Anspielung wohl verstanden. Aaron war es gleichgültig. Emilys fortwährende Annäherungsversuche waren ihm zuwider. Alles war ihm zuwider – am meisten er sich selbst. Den ganzen Tag schuftete er schon wie ein Berserker, um die Erinnerung an den Vorfall in der Sattelkammer loszuwerden. Es gelang ihm nur schlecht.
»Falls es Mr Stutter interessiert: Mrs Havisham hat Cathy beinahe umgebracht! Sie hat sie niedergeschla…«
»Was? … Cathy!« Aaron hatte das Gefühl, jemand hätte ihm einen Faustschlag in den Magen versetzt und ihm gleichzeitig den Boden unter den Füßen weggezogen. Das Letzte, was er im Sinn gehabt hatte, war Cathy in Gefahr zu bringen! Nie hätte er geglaubt, dass Isobel Havisham so weit gehen würde. Und das aus purer Eifersucht, aus Zorn, weil er ihren Begierden nicht noch einmal nachgeben wollte! Das durfte nicht wahr sein!
Er ließ die Mistgabel fallen und stürzte aus der Pferdebox, Emily grob beiseite stoßend, die ihm mit ihren ausladenden Hüften den Weg versperrte. »Lass mich durch!«, fauchte er. Ihre lautstarke Empörung war jetzt seine geringste Sorge.
Nackte Angst schüttelte ihn, als er, sorgfältig darauf achtend, dass ihn niemand dabei beobachtete, heimlich in den hinteren Eingang des Gesindetrakts schlüpfte. Er musste einfach selbst sehen, was mit Cathy geschehen war, musste sich vergewissern. »Oh Gott, lass es nicht wahr sein!«, murmelte er unablässig, ohne sich dessen bewusst zu werden.
Leise öffnete er die Tür zu ihrer Kammer, huschte hinein und verschloss die Tür sofort wieder. »Cathy?«, flüsterte er ängstlich.
Mit einem unterdrückten Stöhnen wandte sie sich zu ihm um. Er sah die getrockneten Spuren des Blutes, das ihr über das Gesicht gelaufen war, den rötlich verfärbten Verband um ihre Stirn, das schrecklich blutbefleckte Kleid, das achtlos auf den Boden geworfen worden war. Erneut packte ihn blankes Entsetzen. Im nächsten Augenblick lag er neben ihrem Bett auf den Knien und hielt sie in seinen Armen. »Oh, Cathy! Cathy!« Er schluchzte trocken auf, bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. Er spürte, wie sie sich an ihn klammerte und hielt sie umso fester. »Was ist passiert?«, stieß er hervor, »Erzähle es mir. Ich muss es wissen.«
»Ich weiß nicht … es war Isobel … ich weiß nicht, was in sie gefahren ist!« Cathy begann zu weinen.
»Schhh … ganz ruhig!«, versuchte Aaron sie zu beruhigen. Cathy gelang es trotzdem kaum, zusammenhängend zu berichten: »Ich erinnere mich nicht richtig. Es sind nur Bruchstücke. Sie kam nach Hause und war ganz nass vom Regen und sie schrie.«
»Was hat sie geschrien?«, fragte Aaron und spürte, wie ein banges Gefühl in ihm aufstieg. Was, wenn Isobel Cathy verraten hatte, weshalb sie im Wäldchen gewesen war?
»Ich weiß nicht mehr. Sie war furchtbar wütend. Es gab keinen Grund dafür, ich hatte nichts getan …«
Aaron entspannte sich ein wenig, obwohl der Hass auf Isobel ihn fast wahnsinnig machte.
»Sie wollte, dass ich ihr beim Umziehen helfe und dann hat sie plötzlich eine Flasche genommen und dann …«, wieder quollen Cathy Tränen aus den Augen. Sie begann heftig zu zittern und klammerte sich noch fester an ihn. »Aaron, ich habe solche Angst.«
Er küsste sie zärtlich. »Du sollst keine Angst mehr haben, Cathy! Es ist jetzt genug. Sobald es dir bessergeht, gehen wir fort von hier, du und ich.«
Sanft wiegte er sie in seinen Armen, doch plötzlich spürte er, wie sie sich versteifte.
»Nein! Ich kann nicht gehen … ich kann nicht!«
Irritiert sah er sie an. »Um Himmels willen, warum denn nicht? Etwa wegen deiner Familie? Cathy, das muss jetzt ein Ende haben! Ich verstehe ja, dass du dich um deine Leute sorgst. Aber wenn du selbst in Gefahr gerätst … das kann auch deine Familie nicht von dir verlangen.«
Sie schob ihn jäh von sich und krümmte sich zusammen. Ihr Weinen ging in krampfartiges
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