Die dritte Sünde (German Edition)
gespieltem Erstaunen die Augenbrauen. »Da habe ich aber kürzlich einen ganz anderen Eindruck gewonnen.«
Nun war es an der Zeit, den Stier – oder vielmehr die Kuh – bei den Hörnern zu packen. Schnell trat er zu ihr hin und nahm sie mit festem Griff um die Taille. »Isobel«, hauchte er in ihr Ohr, »ich sage dir, du irrst dich. Ich konnte einfach nicht fassen, dass es wahr ist. Wie könnte ich denn glauben, dass eine schöne und begehrenswerte Frau wie du nicht nur mit mir spielt? Isobel, ich träume Tag und Nacht von dir. Niemand kann mich so erregen!«
Die Worte gingen ihm kaum über die Lippen, dennoch spürte er, wie sie ihren Körper willig an den seinen drückte. Ach Gott, sie war trotz ihrer Eitelkeit und ihres Stolzes doch sehr einfach zu überzeugen. Eigentlich ist sie nichts weiter als eine Dirne – allerdings mit viel zu viel Macht ausgestattet, dachte er angewidert.
Doch dann spürte er, wie sie sich plötzlich wieder merklich versteifte. »Und Cathy?«, fragte sie lauernd. »Ich meine, du hattest eine gewisse Schwäche für sie.« Aufmerksam sah sie ihm in die Augen in der offensichtlichen und leider auch berechtigten Hoffnung, die verräterische Wahrheit darin zu lesen. Es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, ihr einen Verlangen heuchelnden Kuss auf den Hals zu drücken. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt. »Cathy?«, fragte er betont beiläufig. »Was soll mit ihr sein? Ich habe mir ein wenig die Zeit mit ihr vertrieben – ich bin eben nur ein Mann, wie du weißt!« Er lächelte süffisant. »Dann habe ich aber schnell festgestellt, dass sie einem Vergleich mit dir nicht standhalten kann.« Wieder verstärkte Aaron seinen Griff und ließ, wie zur Bestätigung, seine freie Hand begehrlich über ihre Hüfte gleiten. Erleichtert las er in ihrem Gesicht, dass sie sehr geneigt war, ihm Glauben zu schenken. Doch sie war noch nicht ganz zufrieden. »Und warum bist du dann nicht gekommen?«, fragte sie. »Ich bin wie eine Närrin an dieser dummen Quelle gestanden und habe gewartet.«
Nun konnte er seine sorgfältig zurechtgelegte Ausrede endlich einsetzen. Er flunkerte schamlos von einer Keilerei bei den Fohlen und dass er habe dazwischengehen und sie auf unterschiedliche Weiden habe treiben müssen, um Schaden von den wertvollen Tieren abzuwenden. Jetzt, da Frederick fort sei, hinge ja nun die ganze Verantwortung an ihm. Es sei schließlich auch seine Pflicht, den Besitz der Herren von Whitefell zu schützen und zu vermehren. Sie ließ sich tatsächlich mit dieser Lüge besänftigen. Er entspannte sich erleichtert.
»Komm!«, sagte sie begehrlich.
Er ließ seinen Blick fragend in Richtung Sattelkammer wandern.
»Nein, nicht hier«, meinte sie, neckisch kichernd. Wie er sie hasste! »Havisham ist zu Hause und jemand könnte uns vielleicht doch überraschen. Du wirst mich auf meinem Ausritt begleiten. Sagen wir: zu meinem Schutz. Immerhin hat mich der Schimmel schon einmal fast abgeworfen.« Sie sah ihm aufreizend in die Augen.
Es gelang ihm, ein schräges Lächeln aufzusetzen. Das schien ihr zu gefallen. »Ich weiß eine hübsche Lichtung im Wald«, sagte er. Lüstern ließ sie ihre Hand über die Vorderseite seiner Hose gleiten. Es widerte ihn an, doch er würde tun, was sie von ihm wollte, und zwar mit aller Hingabe, zu der er fähig war. »Nimm eine Decke mit«, befahl sie ihm, » ich habe nicht vor, meine Kleider anzubehalten.«
Reform Club, London, 28. Oktober 1838
Kapitel 45
Havisham beglückwünschte sich insgeheim zu der gelungenen Transaktion. William Witherton, ein Industrieller aus Manchester, mit dem er in intensive geschäftliche Beziehungen getreten war und der vor Jahren bereits einen Sitz im Unterhaus hatte ergattern können, hatte ihn in den exklusiven Reform Club [25] in London eingeführt. Dieser höchst angesehene Club stand nur den Mitgliedern der führenden Whigpartei offen. An seinem Zutritt zu den erlauchten Hallen hatte Havisham schon seit Monaten gearbeitet. Das war auch letztlich das Kalkül gewesen, als er sich in die etwas in Schieflage gekommene Dampfmaschinenproduktion von Witherton eingekauft hatte. Er hatte dessen Geschäft dadurch saniert und ihn ermutigt, von den veralteten Maschinen auf einen neueren Typ von Hochdruckdampfmaschinen umzusatteln, die zwar durchaus erhebliche Gefahren bargen [26] , aber einen weitaus höheren Wirkungsgrad versprachen. In der Verbesserung des Wirkungsgrades der Dampfmaschine – sprich im weiteren Absenken des
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