Die dritte Sünde (German Edition)
wiegte in gespieltem Bedauern bedächtig den dunklen Schopf.
»Und um welche Geheimnisse handelt es sich denn?«, fragte Havisham interessiert.
»Nun, man munkelt, dass sowohl ein Sohn als auch eine Tochter einen recht lockeren Lebenswandel führen, obwohl beide verheiratet sind. Allerdings weiß ich nichts Genaues und müsste das erst noch recherchieren.«
»Tun Sie das, Mr Armindale!«, beschied sein Gesprächspartner und erhob sich. »Ich selbst werde zu gegebener Zeit Mr Baker aufsuchen und sicherheitshalber auch den erstgenannten Plan in die Wege leiten. Sie lassen mir bitte, sobald Sie Genaueres wissen, die Informationen umgehend zukommen. Für die Kosten der Recherchen komme ich selbstverständlich auf, wäre Ihnen aber verbunden, wenn Sie die Rechnungen hierfür an Mr Green senden würden.«
»Selbstverständlich, Sir«, sagte Armindale, erhob sich ebenfalls und schob die Papiere auf dem Schreibtisch zusammen.
Havisham, der ans Fenster getreten war, winkte abwehrend mit der Hand. »Lassen Sie das hier, Armindale. Ich denke, die Unterlagen nützen mir momentan mehr als Ihnen. Werden Sie heute noch abreisen?«
Dieser nickte. »Ich habe es vor, Sir. Ich denke, es wird sinnvoll sein, wenn ich mich erst einmal unauffällig in Trowbridge umhöre.«
»Gut«, meinte Havisham, »dann wäre das also besprochen. Bleibt uns nur noch zu warten, bis Mr Green mit meiner Gattin von der Besichtigung der Ländereien Whitefells zurückkehrt.«
»Da haben Sie ja wirklich einen außerordentlich schönen Landsitz übernommen«, hakte Armindale im Plauderton ein. »Es ist ja schon sehr erstaunlich, dass Mr de Burgh, der wohl sehr daran hing, wie man hört, Ihnen so überraschend die Leitung übergeben hat. So alt ist er ja noch nicht.«
»Was wollen Sie damit sagen, Mr Armindale?«, fragte Havisham scharf.
»Nichts, Sir!«, antwortete Armindale mit einem freundlichen Lächeln. »Sicher gab es sehr gute Gründe für Mr de Burgh, eine solche Entscheidung zu treffen.«
»Allerdings, die gab es!«, sagte Havisham kühl. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, Mr Armindale. Ich habe noch etliches an Korrespondenz zu erledigen. Die Geschäfte ruhen leider nie.«
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Cathy nieste heftig und hielt sich den immer noch fiebrigen Kopf, der von der Erschütterung dröhnte. Sie schämte sich, dass sie schon wieder krank geworden war und das auch noch ihrer eigenen Unbesonnenheit wegen. Mrs Branagh mochte es wohl als eine rechte Belastung empfinden. Trotz allem war sie auch froh, dass ihr diese Stunden der Ruhe und Sammlung gewährt worden waren, ohne dass sie wieder Isobel hatte gegenübertreten müssen. Diese Vorstellung erfüllte sie mit Schrecken. Sie war sich nicht sicher, ob sie nach dem, was Isobel ihr eröffnet hatte, noch in der Lage dazu war, ja, ob sie es je wieder sein würde.
Cathy legte sich unruhig wieder zurück in ihr nassgeschwitztes Kissen, drehte fahrig am Zipfel ihrer Decke und plagte sich weiter mit den bohrenden Gedanken, die sie schon die halbe Nacht nicht hatten schlafen lassen. Sie hätte damals, als Isobel sie niedergeschlagen hatte, Aarons Bitten nachgeben sollen. Sie hätte mit ihm fortgehen sollen! Dann wäre das alles nicht geschehen, dann hätte sich Aaron nicht Isobel zugewandt, warf sie sich vor. Es war alles letztlich ihre eigene Schuld. Nun war es zu spät. Sie hatte ihn verloren. Wie dumm war sie nur gewesen! Doch da meldete sich eine andere drängende, ja, bedrohliche Stimme in ihr: Was wäre dann aus Billie geworden oder aus ihrer Familie? Und was sollte aus ihm werden, wenn sie nicht weiter ihre Pflicht tat? Sie kannte doch Isobels boshafte Rachsucht nur zu gut. Die Herrin Whitefells würde niemals ihren Besitzanspruch auf sie oder gar Aaron einfach aufgeben. Und wenn sie ihrer nicht habhaft werden könnte, hielt sie sich gewiss an Cathys Familie schadlos. Das Schlimmste war aber, dass sie nichts, gar nichts dagegen tun konnte. Sie war einfach machtlos. Isobel Havisham hatte alle Fäden in der Hand und ließ sie daran tanzen wie eine der willenlosen Gliederpuppen, die achtlos und mit verknoteten Schnüren unter den traurigen Überresten des Spielzeugs der einstmaligen Miss de Burgh lagen.
Cathy schrak zusammen, als sich plötzlich die Tür zu ihrer Mägdekammer öffnete. Niemand hatte geklopft. Ob es Elfie war, die ihr im Auftrag von Mrs Reed, die sich redlich um die Kranke mühte, noch einen Tee bringen sollte? Doch es war nicht Elfie, es war Isobel, die da mit von der Kälte
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