Die dritte Sünde (German Edition)
geröteten Wangen und in leicht verschmutzter Reitkleidung ins Zimmer getreten war und sie nun mit einem abschätzigen, geradezu verächtlichen Blick musterte. »Ah, Cathy!«, begann sie, ohne den spöttischen Ton in ihrer Stimme zu dämpfen, »bist du wieder einmal zu schwach, um deinen Pflichten bei mir nachzukommen?« Sie schüttelte bedauernd ihre blonden Locken: »Das tut mir wirklich leid. Wenn ich gewusst hätte, dass du gleich wieder krank wirst, hätte ich mir noch einmal überlegt, ob ich so ehrlich zu dir bin. Dabei habe ich nur zu deinem Besten gehandelt. Jemand musste dir ja einmal die Augen öffnen, nicht wahr, meine liebe Cathy?«
Cathy schwieg und starrte Isobel an. Isobel seufzte demonstrativ und setzte sich in Ermangelung einer anderen Sitzgelegenheit auf die Kante von Cathys zerwühltem Lager. »Also, Cathy, ich fürchte, es hat keinen Sinn mehr, dich hier als meine Zofe im Herrenhaus halten zu wollen, so leid mir das tut. Mein Gatte wünscht, dass du entfernt wirst und zwar umgehend. Auch Mrs Branagh ist dieser Ansicht.«
Cathy war so schockiert, dass ihr Herzschlag einen Moment aussetzte. Man wollte sie fortschicken! Ohne eine andere Anstellung in Aussicht. Womöglich auch noch ohne Lohn, da man mit ihrer Arbeit unzufrieden war! Jetzt im anbrechenden Winter. Wo sollte sie dann nur hingehen, wo sollte sie Arbeit finden? Doch immerhin ließ Isobel sie endlich gehen. Ihre Gedanken begannen nun ebenso zu jagen wie ihr Herzschlag. Wo sollte sie heute Nacht in dieser Kälte einen Unterschlupf finden? »Ist Mrs Branagh denn so verärgert? Ich weiß, ich hätte gestern nicht hinausgehen sollen …« Sie biss sich erschrocken auf die Lippen, als sie den lauernden Ausdruck in Isobels Augen erkannte.
»Du bist also draußen gewesen? In dem Sturm gestern? Das kann nur wieder einer deiner grandios dummen Einfälle gewesen sein oder aber du hast versucht, mit Billie zu sprechen.«
In Cathy loderte jäh nackte Furcht auf. »Ich habe nicht mit ihm gesprochen«, beteuerte sie ängstlich, »mit niemandem von meiner Familie! Ich schwöre es! «
»Ich schwöre es Ihnen, Mrs Havisham !«, berichtigte Isobel kalt und packte die Kranke grob am Arm. »Du tust gut daran, jedes Gespräch über unsere Vereinbarung mit deiner Familie zu unterlassen. Es würde Billie sicher nicht gut bekommen.«
Cathy schluckte und nickte dann ängstlich. Das schien Isobel zu befriedigen. Sie ließ Cathys Arm wieder los und begann, mit ihrer Reitgerte zu spielen. »Sicher verstehst du, dass ich mich nicht gegen den erklärten Willen meines Mannes stellen kann und möchte. Aber natürlich liegt mir dein Wohl trotz allem sehr am Herzen. Deshalb habe ich eine Regelung für dich getroffen, die sicher deine Zustimmung finden wird.«
Cathy schob sich aus ihrem Kissen in eine sitzende Stellung und wartete ergeben auf das, was Isobel ihr zu verkünden hatte.
Die junge Herrin von Whitefell lächelte kühl. »Es wird dich sicher freuen zu hören, dass du wieder zu deinen bäuerlichen Wurzeln zurückkehren kannst.« Cathy hielt erschrocken den Atem an. Wollte Isobel sie etwa wieder zu ihrer Familie schicken? Ihre Leute würden sie gewiss nicht aufnehmen. Doch Isobel fuhr ungerührt fort: »Wie es sich leider gezeigt hat, bist du ja wohl zu nichts anderem zu gebrauchen. Die Pennywood Farm, die du sicher kennst, braucht neue Pächter. Du wirst die Bewirtschaftung übernehmen, zusammen mit Aaron Stutter, den du zu diesem Zweck heiraten wirst. Alles andere würde zu Gerede führen.«
Cathy glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. Das war das Letzte, was sie erwartet hatte. Mit offenem Mund starrte sie Isobel an. Diese stöhnte entnervt auf. »Mein Gott, Cathy, nun glotz mich doch nicht an wie eine Kuh! Es ist ein notwendiges und durchaus elegantes Arrangement, das Aaron und ich getroffen haben. Du kannst dir sicher denken, dass er ein Interesse daran hat, dem unmittelbaren Zugriff meines Mannes zu entweichen und gleichzeitig in meiner Nähe zu sein. Zudem ist das ein durchaus erstrebenswerter Aufstieg für ihn. Schließlich ist er nicht von hier und hätte sonst wohl nie die Aussicht auf eine Pacht gehabt. Allerdings würde die Übernahme eines Pachthofs durch einen fremden und alleinstehenden jungen Mann bei den anderen Pächtern vermutlich auf ziemlichen Widerstand stoßen. Deshalb bist du, vielmehr die Hochzeit mit dir, ein Teil des Plans, ein notwendiges Übel sozusagen. Nicht mehr und nicht weniger. Deine Familie dient uns seit Jahren und die
Weitere Kostenlose Bücher