Die dritte Sünde (German Edition)
von ihr. Ich kann es schon nicht mehr hören. Aber ich war auch froh, dass er zumindest für einige Zeit eine Aufgabe hatte. Mit dem nutzlosen Arm kann er mir nicht viel helfen. Je älter er wird, desto schlechter kommt er damit zurecht. Ich weiß nicht, was aus ihm werden soll.« Er seufzte schwer.
»Wir sollten herausfinden, was Mrs Havisham ihm noch zugesteckt hat. Denn solange er es behält, ist er, seid ihr alle in Gefahr!«, sagte Aaron eindringlich. Er hatte Wycliff von Cathys Verdacht berichtet, auch davon, dass Isobel ihr gedroht hatte, Billie deportieren zu lassen. Wycliff war der Schreck gehörig in die Glieder gefahren, als er das hörte. Nun schien auch er zu begreifen, dass die junge Herrin Whitefells ausgesprochen rücksichtslos ihre Ziele verfolgte. »Wycliff«, sagte Aaron nun drängend und stand auf. »Mir wird Billie nicht verraten, was Mrs Havisham ihm gegeben hat, aber dir wird er es sagen, wenn du es von ihm forderst. Du bist sein Vater!«
Auch Thomson erhob sich. »Ja, du hast recht, Aaron. Ich werde mit ihm sprechen. Es ist das Wenigste, was ich tun kann, um das Unrecht wieder gutzumachen, das ich in meiner Verblendung angerichtet habe. Ich hoffe nur, dass Cathy mir jemals verzeihen kann, obwohl ich es nicht verdiene. Was habe ich nur getan?«
Aaron nahm seinen Schwiegervater für einen Augenblick fest in den Arm. »Das wird sie, denke ich. Cathy liebt euch noch immer, euch alle.« Wieder traten dem Mann Tränen in die Augen, aber er wischte sie mit einer rüden Handbewegung aus seinem Gesicht. Jetzt war nicht die Zeit für Tränen, sondern dafür, dass er handelte.
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»Ich darf es nicht verraten, ich habe es Mrs Havisham versprochen!«, heulte Billie auf. Wycliff hatte wieder und wieder mit Güte und guten Worten versucht, seinem Sohn das Geheimnis zu entlocken, aber Billie weigerte sich standhaft, es preiszugeben. Um nichts in der Welt wollte er sagen, was seine geliebte, schöne Herrin ihm anvertraut hatte. Das wäre einem Verrat gleichgekommen und sie hatte ihm doch genau erklärt, wie überaus wichtig es war, dass er das Schmuckstück für sie aufbewahrte. Er sei ihr kleiner Ritter, hatte sie ihm gesagt, und dass böse Menschen ihr diese wertvolle Brosche rauben wollten. Eine Brosche, die sie von Mr Havisham bekommen habe, als Pfand seiner Liebe. Und dass dieser sicher sehr, sehr böse würde, wenn das Schmuckstück abhanden käme, und sie nicht mehr liebhaben würde. Es sei eine solche Not, sie wisse einfach nicht, wie sie es anstellen solle, die Brosche vor den bösen Dieben zu schützen. Er sei der Einzige, dem sie vertraue. Tapfer und flink, wie er sei, das habe er ihr ja bewiesen. Doch nun verlangte sein Vater von ihm, dass er seine Ehre dahingab. Undenkbar! Aaron Stutter, Cathys Mann, war auch dabei und versperrte vorsorglich den Ausgang aus der Kate und damit den einzigen Fluchtweg, als habe er seine Gedanken erraten. Sonst wäre er schon längst davongelaufen, so schnell ihn seine Beine trugen. Aber er kam einfach nicht hinaus.
Wycliff versuchte es erneut: »Billie«, sagte er eindringlich, »es ist überaus wichtig, dass du es uns erzählst. Cathy sagt, dass dir sonst ein schlimmes Schicksal droht. Ich will nicht, dass dir etwas zustößt. Es war falsch von der Herrin, so etwas von dir zu verlangen.«
Ah, Cathy steckte also dahinter. Dann war ihm ja alles klar! Die war doch nur neidisch, weil er jetzt der Vertraute der Herrin von Whitefell war. Eigensinnig presste Billie die Lippen zusammen und schüttelte langsam den Kopf. Er würde es nicht sagen. Nie und nimmer!
Da wurde es Wycliff Thomson zu bunt. Grob packte er seinen Jungen bei den Schultern und schüttelte ihn heftig. Aaron streckte erschreckt die Hände aus. Er wollte nicht, dass Billie deshalb verprügelt wurde. Doch er konnte nicht verhindern, dass Wycliff ausholte und seinem Sohn eine kräftige Maulschelle versetzte. »Es reicht, Billie!«, herrschte Wycliff den Jungen an. »Du bist zu jung, um das zu verstehen. Du musst mir jetzt sagen, was die Herrin dir gegeben hat und dann werden wir es ihr zurückgeben.«
Dicke Tränen strömten Billie aus den Augen. Sein Vater hatte ihn noch nie geschlagen. Voller Entsetzen starrte er ihn an und sah den bitteren Ernst in der Miene seines Vaters, des Mannes, der ihn doch immer geliebt und beschützt hatte. Da senkte der Junge ergeben den Blick, wandte sich um und kroch wortlos unter seine Bettstatt, die an der hinteren Wand des Wohnraumes stand. Kurz darauf ertönte
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