Die dritte Sünde (German Edition)
dieser späten Versöhnung. Er spürte, Vater und Tochter würden nun Zeit für einander brauchen.
Doch er hatte ohnehin Dringendes zu tun. Mit einem Schnalzen der Zunge ließ er den Braunen den Wagen wenden und machte sich auf nach Whitefell, um Isobels grausame Falle endlich unschädlich zu machen. Die Brosche hatte er noch in Wycliffs Kate an sich genommen. Das Schmuckstück musste so schnell wie möglich zurückgegeben werden, das war den beiden Männern nur zu bewusst gewesen. Leider hatte er nicht verhindern können, dass Billie davongelaufen war. Dieser hatte sich aus Rubys Armen herausgewunden und war wutentbrannt davongestürmt. Aaron war klar, dass der Junge nicht verstand, welche Gefahr ihm in Wirklichkeit von Isobel drohte. Für ihn war die Herausgabe dessen, was ihm seine geliebte Herrin anvertraut hatte, ein schrecklicher Vertrauensbruch, zu dem ihn die beiden Männer und letztlich auch Cathy gezwungen hatten. Es würde sicher noch einiges an Überredungskunst und Wohlwollen brauchen, um das Kind eines Besseren zu belehren. Doch jetzt war keine Zeit mehr zu verlieren. Wer konnte wissen, was Isobel als Nächstes aushecken würde? Er ruckte kurz an den Zügeln und der Braune fiel in schärferen Trab. Bis in einer halben Wache müsste er Whitefell erreicht haben.
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»Mrs Reed, ist Mrs Branagh zu sprechen?«
»Oh, Aaron! Das ist aber eine nette Überraschung, dass du uns besuchst. Wie geht es euch draußen auf der Pennywood Farm?« Die Köchin, sichtlich erfreut über das unverhoffte Eintreten des ehemaligen Stallmeisters, dem sie immer – trotz ihrer sonstigen Bärbeißigkeit – recht zugetan gewesen war, wischte sich die Hände an der Schürze ab. Sie war gerade dabei, in einem großen flachen Holztrog Schweinefleisch zu pökeln. Eine Arbeit, die größte Sorgfalt erforderte und die sie deshalb immer selbst ausführte. Den Mägden traute sie das nicht zu. Bei schlampiger Arbeit konnte das wertvolle Fleisch verderben und madig werden, außerdem wurde ihr herzhaftes Pökelfleisch allseits gerühmt, worauf sie sich nicht wenig einbildete. Mr de Burgh war jedenfalls ganz versessen darauf gewesen.
Aaron lächelte freundlich. Auch er mochte die ältere Frau.
»Mrs Branagh hat gerade eine sehr wichtige Besprechung mit Mr Gruber. Die Herrschaften sind heute Morgen – ausgesprochen überraschend, muss ich sagen – nach London abgereist.« Mrs Reed schürzte ungehalten die Lippen bei diesen Worten. »Mrs Branagh sagt, dass der Herr sich dort niederlassen möchte, zumindest für die nächsten Monate. Sie hat auch etwas davon erzählt, dass er einen wichtigen Posten dort anstrebt. Etwas Politisches, sagt sie. Nun, mir ist es gleich, was er dort treibt. Was mich ärgert ist, dass man so etwas nicht früher erfährt. Unmöglich ist das! Unter Mr de Burgh wäre man nicht so vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Der war doch häuslicher und liebte das Landleben. Ich frage mich, warum er Mr Havisham das Gut überhaupt übergeben hat. Der Mann hat doch gar kein Interesse daran und verfolgt viel zu viele andere Geschäfte, die seine Zeit in Anspruch nehmen«, murrte sie ungehalten und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu, um kurz darauf begütigend fortzufahren: »Obwohl ich mich über Mr Gruber nicht beklagen möchte, scheint ein fähiger Mann zu sein. Nun ja, Mrs Branagh wird jedenfalls einen Teil des Hauspersonals vorübergehend entlassen müssen. Einige werden jedoch, sobald der Herr und die Herrin ein Heim in London haben, dorthin nachfolgen. Emily liegt mir schon seit heute Morgen damit in den Ohren, dass sie unbedingt auch mit nach London möchte. Von mir aus! Sie ist ohnehin eine unerträgliche Schwatzbase.«
Aaron wagte seinen Ohren nicht zu trauen. Konnte es denn wahr sein? Isobel war fort und das mindestens bis zum Frühjahr, vielleicht – wenn sie Glück hatten – sogar noch länger. Die Erleichterung, die sich ob dieser überraschenden Nachricht in ihm ausbreitete, kannte keine Grenzen. Beinahe hätte er die stabile Mrs Reed bei den Schultern gefasst und im Kreis herumgewirbelt, doch dann besann er sich im letzten Augenblick eines Besseren. Das hätte vielleicht doch zu unangenehmen Fragen geführt. Die Köchin musterte ihn schon jetzt erstaunt. »Mrs Branagh spricht gerade mit Mr Gruber, sagten Sie?«, fragte er stattdessen. »In seinem Büro, nehme ich an?« Das kam ihm mehr als gelegen. Dann würde er zwei respektable Zeugen vorweisen können, die bestätigten, dass er das Schmuckstück
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