Die dritte Sünde (German Edition)
Stutter schüttelte den Kopf. Hübsch war er ja schon, Cathys Ehemann, dachte Ruby ein wenig kess.
»Nein! Das heißt, ja! Es ist … nun, ich sollte wirklich mit ihm sprechen.«
Ruby wies mit der Hand in den hinteren Bereich des Anwesens. »Er ist drüben in der Gerätescheune. Das Dach ist undicht geworden und er bessert es gerade aus.«
»Danke!«, meinte der junge Mann und machte sich mit einem angespannten Ausdruck auf dem Gesicht auf den Weg hinüber zur Scheune. Ruby schüttelte beunruhigt ihren runden Kopf. Hoffentlich würden die beiden Männer nicht wieder in Streit geraten. Wycliff konnte wirklich sehr stur sein.
Aaron hörte schon von ferne die Arbeitsgeräusche aus dem windschiefen Gebäude. Das Bedienstetenanwesen der Thomsons war der Pennywood Farm unterlegen, aber dennoch ein gutes Zuhause, mehr als das, was viele andere Familien ihr Eigen nennen konnten. Es war kein Wunder, dass Cathy so sehr Isobels Rache an ihrer Familie fürchtete. Immerhin bildete dieses kleine Anwesen die gesamte Lebensgrundlage der Thomsons. Als er das halb offenstehende Tor erreichte, hielt er kurz inne, sammelte sich und trat dann entschlossen ein. Erstaunt blickte Thomson auf, doch sein Blick verfinsterte sich sofort, als er sah, wer ihn da besuchte. »Was willst du hier, Stutter?«, knurrte er.
Aaron ließ sich durch den frostigen Empfang nicht aus der Ruhe bringen. Er war fest entschlossen, sein Ziel zu erreichen. Absichtlich wählte er einen bedächtigen Ton. »Guten Tag, Wycliff! Ich bin hergekommen, weil ich dringend mit dir sprechen muss. Es gibt etwas, das du wissen solltest.«
Thomson fuhr ihn unwirsch an: »Ich kann mir nicht denken, was. Sollte dich Cathy hergeschickt haben, kannst du ihr ausrichten …«
Aaron fiel dem Mann ins Wort, bevor er sich wieder in Schmähungen seiner Tochter ergehen konnte. Gut, dass Cathy nicht mit ihm gekommen war. Der Hass, den Wycliff Thomson gegenüber seiner Tochter empfand, hätte ihr mit Sicherheit einmal mehr das Herz gebrochen. »Cathy hat mich nicht hergeschickt. Ich komme aus eigenem Entschluss zu dir.«
Wycliff Thomson lachte spöttisch. »Und das soll ich nun glauben?«
»Glaube es oder nicht«, antwortete Aaron gleichmütig. »Allerdings solltest du wissen, dass Cathy sich sehr um euch und vor allem um Billie sorgt.«
Diese Worte schienen den tief sitzenden, sorgsam gepflegten Hass Thomsons erneut anzufachen. »Das hat sie ja bewiesen, wie sehr sie sich sorgt. Deshalb ist ihr Bruder nun ein hilfloser Krüppel. Ich spucke auf sie und auf ihre Sorge um uns!«, zischte er und spuckte Aaron tatsächlich vor die Füße.
Das war zu viel! Aaron spürte, wie auch in ihm jäher Zorn emporschoss. Er ertrug es einfach nicht, dass dieser Mann Cathy mit einer solchen Verachtung bedachte – und das nach all dem, was er ihr angetan hatte. »Schweig!«, schrie er ihn an. »Es reicht jetzt, Thomson! Du hast es ihr tausendfach vergolten. Du quälst sie mit einer Schuld, die keine ist! Ich habe gesehen, was du ihr angetan, wie sehr du sie misshandelt hast.« Wütend ballte er die Fäuste, seine Stimme überschlug sich fast. »Schande über dich! Ein Vater willst du sein? Ein Mörder bist du! Du vernichtest sie, wenn du so weitermachst, und deinen Jungen gleich dazu!«
Thomson wurde kreidebleich. Namenlose Wut verzerrte seine hageren Gesichtzüge zu einer Fratze. Dann stürmte er auf Aaron zu. Doch Aaron, jünger und wendiger als Thomson, wehrte den Angriff ab, packte den Tobenden bei den Schultern und schmetterte ihn gegen die Wand der Scheune. Thomson wehrte sich heftig, doch er kam gegen Aaron einfach nicht an. Er trat, spuckte und schrie in seinem Zorn, aber Aaron presste ihn mit eisernen Händen gegen die Wand und hielt ihn so lange fest, bis die Raserei des Mannes schließlich verebbte. Ein Augenblick der Stille trat ein. Und plötzlich füllten sich die dunklen Augen Thomsons mit Tränen und er sank kraftlos zu Boden, weinend und schluchzend.
»Du hast recht, Stutter. Ich bin ein furchtbarer Vater und ein furchtbarer Ehemann dazu. Ich habe meine geliebte Jane getötet. Ich habe sie getötet, indem ich sie liebte.« Heiße Tränen rannen ihm über das Gesicht, als er fortfuhr: »Schon Marys Geburt hat sie kaum überlebt und die Hebamme hatte uns gewarnt, aber ich konnte nicht von ihr lassen. Ich liebte sie so und war doch nichts als selbstsüchtig. Und dann starb sie bei Billies Geburt. Zwei Tage lang hat sie geschrien … so geschrien … und dann war sie tot.« Das
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