Die dritte Sünde (German Edition)
bevorzuge. Er fürchtet um meinen Ruf.«
»So, tut er das?«, bemerkte Jemina Craven trocken. »Da kann ich mich ja glücklich schätzen, heute hier Gast sein zu dürfen.«
»Allerdings«, meinte Isobel ein wenig spitz, »ich hatte am Morgen eine erhebliche Auseinandersetzung mit ihm deswegen. Er hat gesagt, er habe nun ein für alle Mal genug von meinen Eskapaden und dass er wirklich der Ansicht sei, es sei nun Zeit für eine Mutterschaft, damit ich zur Besinnung käme. Vor allem verbitte er sich meinen Umgang mit dir. Es schade seiner Karriere. Und ich kann dir versichern: Er sah nicht so aus, als ob er in diesem speziellen Punkt noch mit sich reden ließe. Ich konnte ihm gerade noch den heutigen Abend abtrotzen, mit dem Argument, dass es eine unverzeihliche Unhöflichkeit wäre, dich auszuladen.«
Lady Craven erwiderte nichts auf diese Einlassung. Es war ihr aber anzusehen, dass sie doch etwas erschrocken war. Isobel sah ihre Freundin an. Tatsächlich war sie deren ständiger Präsenz auch schon etwas überdrüssig geworden. Natürlich hatte auch sie bemerkt, dass die Leute anfingen, über sie und ihre Begleiterin zu tuscheln. Havisham hatte definitiv recht: der Umgang mit Jemina Craven, einer stadtbekannten Ehebrecherin, war alles andere als förderlich für sie, obwohl sie es am Anfang durchaus genossen hatte, sich mit ihr abzugeben. Schließlich war sie so auch in den Genuss des einen oder anderen amourösen Abenteuers gekommen. Die Tatsache, dass sie in Begleitung Lady Cravens, aber ohne ihren Gatten bei einigen Gesellschaften aufgetaucht war, hatte einige der männlichen Vertreter der feinen Gesellschaft ermutigt, sich ihr äußerst diskret, jedoch mit eindeutigen Absichten anzutragen. Natürlich hatte sie meistens abgelehnt. Was bildeten sich diese Laffen nur ein! Aber der eine oder andere Gentleman hatte durchaus Erhörung gefunden, vorausgesetzt er sah gut aus und versprach ein wenig Amüsement. Allerdings, über mehr als oberflächliche Körperlichkeiten waren diese heimlichen Treffen nicht hinausgegangen. Bei den meisten von ihnen war es bei einem schnellen Akt in irgendeinem ungenutzten Zimmer des jeweiligen Gastgeberhauses geblieben. Hatte sie dies zunächst noch erregt, so langweilte es sie jetzt zusehends. Die Männer waren in der Regel nicht sehr einfallsreich und es kam ihnen vor allen Dingen darauf an, selbst schnell zur Befriedigung ihrer Lust zu gelangen. Zudem bestand bei diesen beiläufigen Tête-à-Têtes immer die erhöhte Gefahr einer Schwangerschaft, denn es war natürlich nicht möglich, anschließend die erforderliche Scheidenspülung vorzunehmen. Zur Not könnte sie aber immer noch auf das Sadeöl zurückgreifen, sagte sie sich. Leider … so kunstreich wie Aaron Stutter in der Vermeidung des Ergusses, während sie zu höchster Lust gelangen konnte, waren ihre Londoner Liebhaber allesamt keinesfalls gewesen. Alles in allem waren sie eine Enttäuschung, einer wie der andere! Kein Vergleich zu Aaron Stutter, dem ehemaligen Stallmeister von Whitefell. Der Gedanke an Aaron steigerte ihre ohnehin gereizte Stimmung zur Wut. Sie war fast geplatzt vor Zorn, als Mrs Branagh ihr bei deren Ankunft im neuen Haushalt in London diese verfluchte Brosche überreicht hatte. Aaron Stutter hätte diese gefunden und ehrlicherweise abgegeben, hatte die Haushälterin dazu erklärt. Mrs Havisham habe das Schmuckstück wohl bei ihrem letzten Ausritt zur Pennywood Farm verloren. Isobel war natürlich nichts anderes übrig geblieben, als sich überrascht und überglücklich zu zeigen ob des angeblich schon schmerzlich vermissten, über die Maßen geschätzten Schmuckstücks, war doch auch ihr Gatte bei dieser Unterredung zugegen gewesen. Dieser hatte ihr anschließend auch noch heftige Vorwürfe gemacht, warum sie das teure Kleinod überhaupt zum Reiten getragen habe. Das hatte sie aber geschickt abgebogen mit der Erklärung, die Brosche trüge sie immer, wenn er aus dem Haus sei, als liebendes, seiner Heimkehr harrendes Eheweib. Havisham hatte ungläubig darüber gelacht, sich dann aber damit zufriedengegeben. Offenbar war seine Eitelkeit geschmeichelt. Männer waren doch erbärmlich einfach zu beeinflussen.
Dennoch hatte sie ihre Wut über den nur zu offensichtlichen Grund für die Rückgabe der Brosche nicht verwunden. Sie nagte an ihr, wie eine Ratte an einem Stück madigen Speck, hatte sich in der Zwischenzeit geradezu zur Besessenheit ausgewachsen, die sie in kurzen Momenten der Besinnung manchmal
Weitere Kostenlose Bücher