Die dritte Sünde (German Edition)
ganz nah. »Mr Eastman hat mir noch mehr anvertraut. Er hat mir gesagt, dass Sie hoffen, eines Tages Herr auf Whitefell zu werden, doch da gäbe es ein nicht unerhebliches Hindernis.«
Havisham fühlte sich nun wieder angenehm entspannt. Die Kerzenflammen hatten aufhört zu tanzen und der Raum war mit einem Mal erfüllt von Düften. »Ja, Whitefell – ein herrlicher Landsitz. Ich sah es als Kind das erste Mal.«
»… und beschlossen, eines Tages selbst dort zu leben!« Die Stimme des Mannes war sehr beruhigend. Havisham fühlte sich wohl und geborgen. Warum sollte er Trumble nicht berichten von seinen Träumen und Hoffnungen?
»Ich habe mich immer angestrengt. Ich habe es selbst zu etwas gebracht. Aber de Burgh ist einfach alles in den Schoß gefallen. Er ist ein furchtbarer Narr, wissen Sie.«
»Sie glauben, dass Whitefell eigentlich Ihnen gehören sollte?«
»Ich glaube es nicht, ich weiß es!«, begehrte Havisham auf, aber seine Erregung verflüchtigte sich sofort wieder. Er fühlte sich angenehm müde, es gab wirklich keinen Grund, sich über irgendetwas zu erregen.
»Welcher Art ist das Hindernis?«, fragte die Stimme nun.
Ein flüchtiges Gefühl von Wut stieg in Havisham auf.
»Es ist Daniel, sein Sohn! Er ist der Erbe. Selbst wenn ich das Mädchen heirate und Söhne zeuge, werden er und seine Nachkommen erhalten, was doch mir zustehen sollte.«
»Der Erbe steht Ihnen also im Weg!«
»Ja, er steht mir im Weg. Dabei kümmert er sich nicht einmal um den Landsitz. Seit Jahren ist er in Indien. Whitefell scheint ihn gar nicht zu interessieren. Es ist eine Schande! Ich würde nicht so handeln.«
»Ich bin mir sicher, dass Sie nicht so handeln. Sie sind ein Mann mit einer großen Zukunft. Ein Mann, der weiß, was nötig ist! Sie wissen, wann es sich lohnt zu handeln.«
»Ja, in der Tat, das weiß ich. Aber mir sind die Hände gebunden. Ich kann nur hoffen, dass ich irgendwann durch einen glücklichen Zufall an die erste Stelle in der Erbfolge gelange, oder wenigstens der Sohn, den ich mit Isobel zeugen werde. Es ist eine schwache Hoffnung, aber zumindest eine Hoffnung. Grund genug für mich, Isobel de Burgh zu ehelichen.«
»Zufälle können sich ereignen, Mr Havisham. Den Mann, der es wagt zu handeln, begünstigt das Schicksal, meinen Sie nicht?«
»Bisher kann ich mich nicht beklagen. Ich habe immer erreicht, was ich mir vorgenommen habe.«
»Und das werden Sie auch diesmal, ganz bestimmt.«
Der Mann klang so zuversichtlich, so klar. Keine Frage, er, Horace Havisham, würde eines Tages in den Besitz von Whitefell kommen. Wie hatte er nur je daran zweifeln können? Havisham lächelte selig.
»Wenn Sie bereit wären, eine unbedeutende Summe einzusetzen, könnte ich diesen Zufall für Sie herbeiführen«, meinte Trumble nun lockend.
»Sie können Zufälle herbeiführen? Was Sie nicht sagen!« Havisham begann zu kichern. Mit einem Mal fand er dieses merkwürdige Gespräch über die Maßen erheiternd.
»Ich habe Freunde in Indien, die mir einen Gefallen schulden. Mit ein wenig finanzieller Unterstützung Ihrerseits wären sie sicher bereit, Ihr Problem zu beseitigen«, schlug Trumble vor. Seine Stimme klang so einladend, so freundlich. Es war wirklich das Einfachste von der Welt! Warum war ihm diese gute Lösung nicht schon längst selbst eingefallen?
»Leben Ihre Freunde denn in Bombay?«, fragte Havisham neugierig.
»In Bombay, in Madras, in Kalkutta. Wo immer Sie wollen …«, sagte Trumble leichthin.
»Dann sind Sie ja fürwahr ein sehr beliebter Mann!«, stellte Havisham fest und fing wieder an zu kichern. Das war wirklich ein guter Witz. »Ja, dann … dann sagen Sie Ihren lieben Freunden in Bombay nur, dass Daniel de Burgh Offizier bei der East-India-Trading-Company ist. Den Rest müssen Sie dann aber schon allein herausfinden, nicht wahr?« Er lachte ausgelassen. Irgendwie fühlte er sich so leicht und beschwingt. Was für eine gute Idee von Eastman, ihn hierher mitzunehmen!
»Gerne, Mr Havisham! So werden wir es halten. Nur … die Geldsumme wäre noch zu klären. Schließlich sollen meine Freunde für ihre Hilfsbereitschaft auch belohnt werden.«
Havisham nickte beflissen. »Sicher! Was wollen Sie haben? Was kostet die Herbeiführung des indischen Zufalls ?«
Trumble lächelte jovial und nannte eine ziemlich hohe Summe. »Ein Schuldschein, den ich in den nächsten Tagen einlösen kann, reicht mir vollkommen aus, Mr Havisham. Ich nehme nicht an, dass Sie zufällig so viel bei sich
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