Die dritte Sünde (German Edition)
Zeit zerdehnte sich zu einem Strom aus glühender Lava. Dann, plötzlich, hatte er das Gefühl zu schweben, emporgehoben zu werden. Ein grelles Feuer schoss zwischen seinen Schenkeln empor. Es huldigte der goldenen Göttin, die jetzt hoch über ihm aufragte, ihn beherrschte. Ihre Brüste waren steile, irdene Hügel, ihre Augen Abgründe, dunkel und lockend, die Arme Schlangen. Er war hin und her gerissen zwischen Furcht und Verzückung. Verlangend streckte er seine Hände nach der Göttin aus, doch er vermochte nicht, sie zu berühren. Das verzehrende Feuer in seinen Lenden wurde unerträglich, die Hitze verbrannte ihn. Er begann zu schreien, bettelte um Erlösung. Doch seine Gebieterin war grausam. Unerbittlich trieb sie ihn an. Ihr Körper zuckte, erstrahlte jetzt in gleißendem Gold, so sehr, dass er die Augen geblendet abwenden musste. Sie wurde gestärkt durch seine Kraft, seine Männlichkeit. Sie verzehrte ihn, sättigte sich an seinem Fleisch – sie kannte keine Gnade, kein Erbarmen! Angst erfasste ihn. Er bäumte sich auf, doch es war zu spät. Hilflos entleerte er sich in ihren goldenen Körper, verströmte sich und blieb zurück als unbedeutender Wurm. Eine leere Hülle in kalter Dunkelheit.
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Als er wieder zu sich kam, lag er keuchend ausgestreckt auf weichen Decken. Er registrierte, dass sein Körper in einen fließenden Mantel aus Seide gehüllt war. Verwirrt richtete er sich auf.
Der Besitzer des Etablissements, Mr John Sagar Trumble, der ebenfalls in orientalische Gewänder gekleidet war, saß ihm gegenüber und lächelte gewinnend. Havisham leckte sich über die trockenen Lippen.
»Seien Sie unbesorgt. Das lässt gleich nach. Eine der Nebenwirkungen des Krauts. Trinken Sie das, das lindert die Beschwerden.« Trumble reichte seinem Gast einen mit Milch versetzten Kräutersud. Havisham schnüffelte misstrauisch daran. Sein Kopf dröhnte.
Das Lächeln seines dunkeläugigen Gegenübers wurde noch eine Spur liebenswürdiger. »Sie dürfen mir vertrauen, Mr Havisham. Nichts läge mir ferner, als einem gut zahlenden Kunden Unannehmlichkeiten zu bereiten. Ich darf doch davon ausgehen, dass Amiya Sie zufriedengestellt hat?«
»Es war …«, Havisham räusperte sich. Seine eigene Stimme kam ihm irgendwie fremd und weit entfernt vor. »Es war in der Tat eine ungewöhnliche Erfahrung.«
»Eine angenehme Erfahrung, hoffe ich?«
»Nun, es war in jedem Fall außerordentlich!«, gab Havisham irritiert zu. Das ständige Lächeln seines Gesprächspartners verunsicherte ihn.
»Außerordentlich! So …!« Sein Gegenüber lachte maliziös »Eigentlich heißt sie Amrapali, aber ich nenne sie Amiya, ‚die Herrliche’ in unserer Sprache. Sie widmet sich nur unseren besonders bevorzugten Gästen.«
»Aha, dann kann ich also davon ausgehen, dass ich zu diesen gehöre.« Havisham trank nun doch das angebotene warme Gebräu. Es schmeckte nicht einmal schlecht, obwohl er auch dort einen Hauch dieses seltsamen Krauts auszumachen vermeinte, das bereits dem Wein beigemischt worden war.
»Mr Havisham, Sie haben fürstlich bezahlt. Sie verdienen auch eine fürstliche Behandlung. Jedenfalls hat mir Mr Eastman vorhin versichert, dass Sie einen besonderen Grund zum Feiern haben. Ich höre, Sie haben sich entschlossen, in den Stand der Ehe zu treten. Das ist allerdings ein Ereignis, das ein Gentleman entsprechend würdigen sollte.«
Havisham spürte, wie sich wohlige Wärme in seinen Eingeweiden ausbreitete. Die beängstigende Erinnerung an das Ende seiner Vereinigung mit Amiya verblasste. Zurück blieb der Eindruck ihres goldschimmernden Körpers und der Ekstase, die er durch sie erfahren hatte. Bei Gott, das war wirklich außerordentlich gewesen! Dennoch war er sich nicht sicher, ob er noch eine weitere Erfahrung dieser Art machen wollte. Verwirrt richtete er seinen Blick wieder auf sein Gegenüber.
»Wie ich höre, handelt es sich bei Ihrer Auserwählten um die Tochter eines Großgrundbesitzers aus Wiltshire. Noch recht jung, wie Eastman mir sagte. Aber Sie scheinen wohl große Hoffnungen an die Verbindung zu knüpfen.« Die Stimme Trumbles klang plötzlich wieder seltsam gedämpft. Havisham bemühte sich stirnrunzelnd, die Flammen der drei Kerzen auf dem Tisch im Auge zu behalten. Diese hatten sich von den Kerzen erhoben und tanzten nun völlig unberechtigt einen Reigen über dem Tisch.
Da – jemand nahm ihm das Getränk aus der Hand und drückte ihn sanft zurück in die Kissen. John Sagar Trumbles Stimme war nun
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