Die dritte Sünde (German Edition)
vielleicht einmal bis nach London in eine Stellung als Dienstmagd bringen würde, und selbst diese Aussicht erschien ihr wie der Weg nach Eden.
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Isobel war indessen mehr als zufrieden mit sich. Sie hatte erreicht, was sie wollte. Sie ritt allein mit diesem äußerst interessanten Knecht durch die einsamen Wälder von Whitefell und nutzte die Zeit ausgiebig, um einen näheren Blick auf ihren Begleiter zu werfen. Aaron ritt auf dem grauen Wallach vor ihr den schmalen Waldpfad entlang. Sie hatte dem Knecht den Vortritt gelassen, damit sie ihn noch ein wenig anschauen konnte, bevor sie … sie zögerte, plötzlich erschrocken über ihre eigene Kühnheit. Was war eigentlich ihr Plan? Wollte sie wirklich, dass er mit ihr das tat, was die Heldinnen und Helden ihrer geliebten Schauerromane in solchen unbeobachteten Situationen in einsamen Wäldern zu tun pflegten? Sie schluckte. Blitzschnell huschten ihr wilde Fantasien durch den Kopf, die sowohl Miss Hunter als auch ihren Vater allesamt außerordentlich entsetzt hätten. Ihr Blick wanderte über die breiten Schultern, die sich muskulös unter dem weich fallenden Baumwollhemd abzeichneten, hinunter zu Aarons Hüften, die sich mit dem Rhythmus der Schritte des Pferdes unter ihm kräftig nach vorne schoben. Plötzlich wurde ihr seltsam heiß und sie wandte den Blick ab, gab dann ihrem Pferd die Sporen und drängte sich an ihrem erstaunten Begleiter vorbei. Sie ließ ihr Pferd in einen lockeren Trab fallen und versuchte sich zusammenzunehmen. Soweit durfte sie es nicht kommen lassen! Oder vielleicht doch? Völlig durcheinander bemerkte sie nicht rechtzeitig, dass ihr Pferd genau auf ein dicht mit Brombeerranken überwuchertes Gebüsch zuhielt, dem sie eigentlich mit einer scharfen Rechtswendung hätte ausweichen müssen. Das unerfahrene Tier reagierte übertrieben nervös auf die schlechte Führung der unkonzentrierten Reiterin und begann, störrisch den Kopf zu werfen. Da flogen aus dem Gebüsch völlig unerwartet einige Rebhühner auf, die dort ein Versteck gefunden hatten. Das laute Geräusch der flatternden Flügel machte den Schimmel panisch. Er stieg und schlug mit den Hufen nach dem vermeintlichen Gegner. Isobel schrie auf, obwohl sie als geübte Reiterin selbstverständlich auch auf diesen unerwarteten Ausbruch ihres Reittieres angemessen reagieren konnte. Da war mit einem Mal Aaron an ihrer Seite. Er war von seinem Pferd gesprungen, griff nun beherzt mit einer Hand in die Zügel, während er ihr mit der anderen Hand bedeutete abzusteigen. Isobel, doch recht erschrocken, ließ sich nicht zweimal bitten, schwang sich geschickt aus dem Sattel und landete mehr oder weniger gewollt in seinem hilfreich ausgestreckten Arm.
Er brauchte noch etwas, bis er das Pferd wieder beruhigt hatte. Einige Sekunden, in denen Isobel nicht im Traum daran dachte, sich von ihrem Retter zu lösen. Ihre Hand lag auf seiner Brust und sie spürte seinen kräftigen Griff um ihre Taille. Endlich gab der Schimmel, dem sie außerordentlich dankbar für seine nervöse Einlage war, Ruhe. Aaron Stutter wendete ihr sein Gesicht mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen zu.
»Du hast mich gerettet, Aaron«, hauchte Isobel, hingerissen von seinem Anblick. Jetzt musste einfach kommen, was sich in solchen Situationen sozusagen zwingend ereignete. Erwartungsvoll öffnete sie ihre Lippen.
»Ach«, meinte Aaron gelassen, »ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass Sie meiner Rettung bedurften, Miss de Burgh, aber ich will mir nicht nachsagen lassen, ich wäre faul gewesen.« Er lächelte breit und entließ sie aus seiner Umarmung.
Dann wendete er sich gleichmütig ab und ging noch einmal um den Schimmel herum, dabei Zaumzeug und Sattel überprüfend. Vor Wut zitternd stand Isobel neben ihrem jetzt wieder lammfrommen Reittier und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Am liebsten hätte sie den unverschämten Kerl geohrfeigt, als er ihr mit frechem Grinsen eine Räuberleiter anbot und sie dann mit Schwung aufsitzen ließ. Jäh gab sie dem Schimmel die Sporen und ritt mit verkniffenem Gesicht davon, ohne den Knecht, der sich jetzt mit einer mühelosen Bewegung wieder auf sein Pferd schwang, noch eines Blickes zu würdigen. Sie kochte vor Zorn! Noch nie war sie so gedemütigt worden! Diesem Aaron Stutter würde sie es noch zeigen! Er sollte bald auf Knien um einen Kuss von ihr betteln!
Portsmouth, 18. März 1838
Kapitel 15
»Noch einen Schluck Gewürzwein?« Die exotische Schönheit,
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