Die dritte Sünde (German Edition)
der dort angeboten werden sollte. Es konnte ihr nur recht sein. So gab es keine Zeugen, die hätten beobachten können, was sie und Aaron taten, außer Cathy natürlich, aber die zählte nicht. »Komm, Cathy!«, sagte sie zu der wie immer abwartend an der Tür stehenden jungen Frau. Isobel brauchte trotz ihrer Ungeduld, in den Stall hinunterzukommen, bald jeden Morgen länger, bis ihr Aussehen sie zufriedenstellte. Aber der Aufwand lohnte sich. Ihr machte die Vorstellung Spaß, durch ihr besonders gepflegtes Äußeres Aaron Stutter vorzuführen, was ihm damals im Wald entgangen war und was er nun doch nicht haben konnte. Sie genoss das Spiel mit ihm, das er ebenso zu beherrschen schien wie sie selbst. Er war, obwohl nichts weiter als ein Knecht, erstaunlicherweise amüsanter, als sie erwartet hatte. Eilig lief sie, nach einem abschließenden Blick in den Spiegel, hinunter zu den Stallungen.
Auch Cathy wusste, dass sie drei heute allein im Stall waren. Hoffentlich würde Isobel diesen Umstand nicht zu sehr ausnutzen. Was sollte sie, Cathy, dann tun? Wegschauen? Schweigen? Oder sie gar ermahnen? Das war lachhaft! Cathy war einigermaßen besorgt, als sie im Stall eintrafen.
»Aaron«, rief Isobel mit ihrer hellen Stimme, »komm und sattle mir mein Pferd.«
Doch Aaron ließ sich nicht blicken. Nur das keuchende Schnauben eines Pferdes war zu hören. »Aaron!«, rief Isobel noch einmal, bereits leicht verärgert und mit Nachdruck.
Da hörten sie im hinteren Bereich des Stalles, wo die trächtige Stute abseits von den anderen untergebracht war, die Boxentür gehen und Aaron kam unwillig, aber mit schnellen Schritten den Gang hinunter. »Verzeihung, Miss de Burgh, aber ich bin mit der Stute beschäftigt. Das Fohlen kommt und sie tut sich recht schwer. Es ist ihr erstes, müssen Sie wissen.« Gehetzt blickte er sich immer wieder um, während er sprach, als könne er von seinem Platz aus sehen, wie weit es mit der Stute stand. Es war Isobel mehr als unrecht, dass das dumme Vieh ausgerechnet heute, wo die Gelegenheit, einen Schritt weiterzugehen, so ungemein günstig war, abfohlen musste.
»Mag sein, dass sie sich schwer tut, aber es ist nur ein Pferd und ich bin deine Herrin, und ich möchte, dass du mir jetzt meinen Braunen sattelst. Ich möchte ausreiten«, sagte sie spitz. Aaron neigte gehorsam, aber knapp den Kopf und machte sich dann rasch davon, um in einer überaus kurzen Zeit Isobels Wallach, wie gewünscht, zu satteln. Für Spielchen hatte er heute wirklich keine Zeit.
Isobel war alles andere als zufrieden. Die Sache verlief überhaupt nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Abwesend hob Aaron sie in den Sattel und gab dem Braunen einen Klaps auf die Flanke, bevor er wieder – ohne einen weiteren Blick für sie – in Richtung der hinteren Boxen, von wo aus jetzt ein schrilles, tatsächlich schmerzerfülltes Wiehern zu hören war, davonrannte. Isobel starrte ihm wütend nach. Und dafür hatte sie jetzt bald eine Stunde mit der Auswahl ihrer Garderobe und der richtigen Frisur verwendet! Es war zum Aus-der-Haut-Fahren! Vielleicht würde sie ihren Vater doch dazu überreden, dass er Aaron Stutter entließ. Was bildete sich dieser Kerl nur ein? Wütend wie eine zornige Hummel ritt sie vom Hof.
Cathy blieb zurück und ließ vorsichtig den Atem entweichen, den sie besorgt angehalten hatte. Das war überraschenderweise gut gegangen, auch wenn Isobel sehr erzürnt war. Aber sie würde sich beim Reiten wieder beruhigen. Cathy kannte deren plötzlich aufflammenden Zorn, der auch oft ebenso schnell wieder verrauchte. Sie war sich sicher, dass Isobel Aaron Stutter letztlich nicht schaden würde, solange sie noch Hoffnung haben konnte, in der Zeit, die ihr bis zu ihrer Reise nach London blieb, noch etwas zu erreichen. Was auch immer das sein sollte … Cathy wollte lieber nicht darüber nachdenken. Da war wieder ein keuchendes Wiehern aus dem hinteren Bereich des Stalles zu hören und kurz darauf Aarons Stimme, die beruhigend auf das Tier einwirkte. Es klang mitfühlend und besorgt. Neugierig ging Cathy den Geräuschen nach und spähte, als sie angekommen war, über die hölzerne Wand der sehr geräumigen und gut mit Stroh ausgelegten Box. Aaron kniete bei der Stute, die sich hingelegt hatte, im Stroh, strich ihr über den Hals und die Flanke und behielt dabei aufmerksam die Geburtsöffnung im Auge, aus der nun ein kleiner Huf herausschaute. Da bemerkte er Cathy, die das Geschehen erschrocken verfolgte.
In seiner
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