Die dritte Sünde (German Edition)
unterließ er es jetzt. Vielleicht hatte sich der Stallbursche tatsächlich in das Mädchen verliebt. Wen sollte es wundern? Wäre er in Aarons Alter gewesen, hätte er wohl der rothaarigen Schönheit auch kaum widerstehen können. So beschloss er, seine gut gemeinten Ermahnungen für sich zu behalten. Ohnehin bezweifelte er, dass Aaron darauf gehört hätte. »Du weißt also, was du morgen zu tun hast«, meinte er, das Gespräch abschließend, und wandte sich ab, um sich wieder seinen Pflichten zu widmen.
Aaron blieb bei der Stute zurück und beschäftigte sich weiter mit deren Fesseln, die besonders an den Hinterläufen durch die weit fortgeschrittene Trächtigkeit etwas geschwollen waren. Es wurde wirklich Zeit, dass sie ihr Fohlen bekam. Das Tier wirkte auch unruhig, obwohl es sich in seiner Nähe offensichtlich wohlfühlte. Während seine Hände sanft über die Hinterläufe des Tieres strichen, dachte er an Cathy. In den letzten beiden Wochen war es ihm gelungen, ihre Schüchternheit tatsächlich etwas aufzubrechen. Eine Schüchternheit, hinter der sie sich verbarg wie hinter einer Mauer. Was war nur los mit ihr? Was war ihr zugestoßen, das sie dazu gebracht hatte, sich so in sich zurückzuziehen? Es war ihm nicht gelungen, das herauszufinden. Er hatte es auch, seinem Gefühl folgend, weitgehend vermieden, sie auszufragen. Stattdessen hatte er sie sanft und ohne sie zu drängen immerhin dazu gebracht, dass sie gerne mit ihm sprach, wenn auch nur über die Pferde, die Natur, die sie augenscheinlich liebte, und manchmal ein wenig über ihren Alltag auf Whitefell. Um diesen Alltag war sie nicht zu beneiden, war sie doch fast so etwas wie eine Gefangene des Hauses und fühlte sich, wie er deutlich bemerkte, alles andere als wohl in ihrer Aufgabe als Spielgefährtin Isobel de Burghs. Eigentum – das war wohl der passendere Ausdruck. Es hatte ihn fast wütend gemacht, als sie ihm ihre seltsame Stellung im Haus der de Burghs erläuterte in der ihr eigenen zurückhaltenden Art. Aber in dem Augenblick, als sie seinen Unwillen bemerkte, war sie augenblicklich verstummt und hatte sich wieder in sich zurückgezogen. Er hätte sich ohrfeigen können. Glücklicherweise war es ihm gelungen, das Gespräch wieder auf das Voranschreiten des Frühlings zu bringen. Das war ein Thema, das ihr zu behagen schien. Sie kannte sich sehr gut aus mit Pflanzen und den Tieren des Waldes. Interessiert hörte sie auch seinen – etwas geschönten – Erzählungen von seinen bisherigen Wanderungen zu. Geflissentlich ließ er dabei seine zahlreichen und tiefgehenden Erlebnisse mit dem weiblichen Geschlecht aus. Das hätte sie vermutlich abgestoßen. Aaron verstand sich selbst kaum. Sonst war er ein rechter Draufgänger, der schnell zum Ziel kam bei den Weibern und ihre Freigiebigkeit zu nutzen wusste, doch Cathy Thomson war das erste weibliche Wesen, bei dem er sich wünschte, er wäre noch so unschuldig, wie er es einstmals gewesen war, damals, bevor …
Er schüttelte unwillig den Kopf. Er wollte nicht daran denken, nicht an den Grund dafür, dass er sein Zuhause und seine Mutter in diesen fatalen Umständen hatte zurücklassen müssen. Aber er hatte keine Wahl gehabt. Entweder er ging oder es wäre weitergegangen, ewig weiter … er hatte es nicht mehr ertragen können. Übelkeit stieg in ihm auf und er kniff die Augen zusammen, um die Bilder, die ihn bedrängten, zu verscheuchen. Es gelang ihm nur mühsam und ein erstickendes Gefühl von Schuld bemächtigte sich seiner. Wahrscheinlich hatte er ein Mädchen wie Cathy Thomson nicht verdient. Sicher hatte er sie nicht verdient. Er war wohl nur etwas für die Isobel de Burghs dieser Welt, die nach ihm griffen und gierig nach seiner Manneskraft verlangten.
Kapitel 18
Es sah stark nach Regen aus, aber trotzdem hatte Isobel sich nicht davon abhalten lassen, auch an diesem Morgen ihren obligatorischen Ausritt anzutreten. Sie war zu erpicht darauf herauszufinden, wie weit sich Aaron heute wagen würde. Würde er es, wie gestern, als er sie nach dem Ritt aufgefangen hatte, als sie schwungvoll aus dem Sattel gesprungen war, wieder zulassen, dass sie sich an ihn schmiegte? Sie konnte es kaum erwarten, ihn noch einmal so dicht bei sich zu spüren. Er fühlte sich gut an, so kräftig! Das Beste daran war, dass ihr Vater heute schon im Morgengrauen in Fredericks Begleitung Whitefell verlassen hatte, um sich in Salisbury diesen – laut ihrem begeisterten Vater – hochinteressanten Hengst anzusehen,
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