Die dritte Sünde (German Edition)
Isobel zurück. Wütend drehte sie sich um. Jetzt hatte sie aber wirklich genug! »Das hatte ich allerdings nicht vor, mir ist nach einem größeren Spaziergang. Ich denke, ich habe mich jetzt genug mit dieser lästigen Packerei beschäftigt.«
»Miss de Burgh«, sagte die Haushälterin ein wenig indigniert, »Sie wollen doch nicht etwa allein durch die Felder gehen? In den Garten hinunter ja, aber in die Wiesen? Das geht doch nun wirklich nicht! Ihr Vater hat es Ihnen doch verboten, wissen Sie nicht mehr?«
Und ob sie das noch wusste! Doch gerade heute war ihr dieses Gebot der Schicklichkeit mehr als lästig. So sehr sie sich auch wünschte, endlich in die Welt der Erwachsenen einzutreten und zwar hinsichtlich aller Aspekte, so sehr störten sie andererseits die Einschränkungen, die gerade für eine junge Frau von Stand damit verbunden waren. Eigentlich war eine Frau ja regelrecht eingesperrt ins Haus. Es war zum Ärgern! Wäre sie ein junger Mann, könnte sie gehen, wohin sie wollte und vor allem tun, was sie wollte. Ihrem älteren Bruder Daniel wurden, so erinnerte sie sich genau, niemals solche Beschränkungen auferlegt. Sie schnalzte ärgerlich mit der Zunge und blickte Mrs Branagh störrisch an. Doch die Haushälterin war diesmal nicht gewillt nachzugeben. Sie verstand ohnehin nicht, was Miss Isobel in diesem übertriebenen Aufzug heute noch unbedingt im Freien wollte. Es gab schließlich wirklich anderes zu tun. »Dann nehmen Sie eben Cathy mit, wie sonst auch. Die können wir hier gerade noch entbehren.« Das war allerdings nicht gelogen. Die junge Frau war heute wirklich keine Hilfe. Sie wirkte direkt krank, kreidebleich und apathisch, wie sie in den Räumen der jungen Herrin herumschlich. Der Anblick konnte einen dauern. Aber Cathys schlechte Verfassung war auch kein Wunder! Obwohl Mrs Branagh auch nicht gerade übergroße Sympathien für die Spielgefährtin der jungen Miss hegte, erschien ihr die gehässige Ablehnung der Dienstboten und auch die boshafte Art, in der Miss de Burgh in letzter Zeit ihre Launen an Cathy ausgelassen hatte, doch unangemessen. Das hatte das Mädchen wirklich nicht verdient, schon gar nicht im Hinblick auf die langen Jahre, in denen es klaglos der oft herrischen und launenhaften Isobel de Burgh zur Verfügung gestanden hatte, was wohl wirklich nicht leicht gewesen sein mochte. Cathy hätte es eigentlich verdient, dass man sich um ein angemessenes Fortkommen für sie kümmerte, nachdem sie nun auch in den Genuss gewisser Bildung und Erziehung gekommen war. Stattdessen aber hatte Mrs Reed der Haushälterin neulich davon berichtet, dass es in der Küche, besonders in der letzten Zeit, immer wieder zu sehr unschönen Szenen gekommen war, hinter denen wohl vor allem die spitzzüngige und oft auch neidische Ruby steckte. Sie würde sich die Zofe wohl einmal gehörig vornehmen müssen. Es ging nicht an, dass so ein Unfrieden unter der Dienerschaft herrschte. Das wirkte sich zuletzt auch auf die Ordnung des Haushaltes aus und das konnte sie auf keinen Fall dulden. Auf Miss de Burgh konnte sie diesbezüglich natürlich keinen nennenswerten Einfluss nehmen und maß es sich auch nicht an, obwohl sie deren Verhalten missbilligte. Es war ja auch noch nicht geklärt, wie es mit Cathy weiterging. Nach London kam sie auf alle Fälle nicht mit, und Mr de Burgh, der gestern erst sehr spät aus Salisbury zurückgekehrt war, schien es wohl seiner Tochter überlassen zu wollen, über Cathys weitere Beschäftigung zu entscheiden, was die junge Dame bisher pflichtvergessen versäumt hatte. Kein Wunder, dass es Cathy nicht gut ging mit dieser Ungewissheit. »Nutze die Zeit und sprich mit ihr«, raunte Mrs Branagh deshalb der leichenblassen Cathy zu, als diese – wie geheißen – an ihr vorbei zu Miss de Burgh ging. Das Mädchen warf ihr einen kurzen, fiebrigen Blick aus ihren tief in Schatten liegenden Augen zu. Viel geschlafen konnte sie in der letzten Zeit auch nicht haben. Das Mädchen wirkte heute wirklich beängstigend blass, dachte die Haushälterin besorgt. Ob sie ernstlich krank wurde? Das konnte Mrs Branagh in all der Aufregung der bevorstehenden Abreise der Herrschaft nun wirklich nicht gebrauchen.
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Isobel ging ungeduldig auf dem Feldweg voraus. Hoffentlich war Aaron noch auf den Wiesen, wie er angekündigt hatte, und hoffentlich war er allein. Nun musste sie nur noch die lästige Cathy loswerden, die mehr hinter ihr her stolperte als ging und ihrem zügig ausgreifenden Schritt
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