Die dritte Sünde (German Edition)
nachher ist man immer schlauer. Ich habe nur die Hoffnung, dass Sie mir in meinen momentanen Schwierigkeiten finanziell unter die Arme greifen, sonst weiß ich wirklich nicht mehr, was ich machen soll. Es ist ja sicher nur ein vorübergehender Engpass, bis der Goldpreis wieder anzieht oder die Mine etwas abwirft.« De Burgh blickte nervös auf. Hoffentlich ließ sich Havisham darauf ein, sonst war er verloren. Wie sollte er das nur dem Earl, oder schlimmer noch Isobel vermitteln? Es war nicht auszudenken. Womöglich blieb ihm nur noch, sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen.
Havisham wiegte nachdenklich den Kopf. »Ich denke nicht, dass es sich nur um vorübergehende Schwierigkeiten handelt, mein lieber de Burgh. Dass sich der Goldpreis in der nächsten Zeit nennenswert erholen wird, ist eher nicht zu erwarten, und die Sache mit der Mine … Also wirklich, wer hat Ihnen denn nur diese unsinnige Idee in den Kopf gesetzt? Ich glaube fast, Sie sind einem Betrüger aufgesessen. Eine Mine im Punjab! Die reinste Narretei! Lesen Sie keine Zeitung, Francis?«, unvermittelt war er auf den Vornamen seines Gegenübers verfallen, um ihm ins Gewissen zu reden. Dieser saß auch völlig vernichtet und schuldbewusst wie ein ertappter Knabe vor ihm. »Selbst wenn die Mine etwas abwirft, was immer eher ein Glücksspiel als eine berechtigte Hoffnung ist … der Punjab ist politisch so instabil, dass es mehr als fraglich ist, ob dort überhaupt Bergbau betrieben werden kann. Wie konnten Sie sich nur auf so etwas einlassen?«
De Burgh zuckte hilflos mit den Schultern. Jetzt kam es ihm selbst reichlich unsinnig vor. Aber der Geschäftsmann, den er vor einiger Zeit bei einem Besuch in London kennengelernt hatte, hatte so überzeugend geklungen und es war so einfach erschienen, eine Menge Geld in kurzer Zeit zu machen. Da hatte er, alle Bedenken in den Wind schlagend, zugegriffen und sogar noch eine beträchtliche Summe Geld dafür aufgenommen.
»Hören Sie, alter Freund, wir kennen uns schon lange genug und ich werde Sie nicht im Stich lassen«, meinte Havisham scheinbar begütigend nach einer Weile, als er sah, dass sein Gesprächspartner nun nach jedem Strohhalm greifen würde, der sich ihm bot. »Ich werde Ihnen eine ausreichende Kapitaldecke zur Verfügung stellen, bis sich Ihre Goldwerte wieder erholt haben. Nein«, er hob abwehrend die Hände, »Sie brauchen mir nicht zu danken, Francis. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit unter Freunden.« De Burgh war zwar ein Narr, aber er war der Herr von Whitefell und das war es, was zählte. Die Unfähigkeit de Burghs in geschäftlichen Dingen spielte ihm nun überraschend in die Hände, denn mit dieser für ihn selbst nicht allzu belastenden Gefälligkeit band er de Burgh unverbrüchlich an sich. Der alte Narr verkaufte sich ihm soeben mit Haut und Haar. Er hätte am liebsten angefangen zu tanzen. Doch es gelang ihm, seine ernste Miene weiter beizubehalten. »Ich rate Ihnen, wenn es geht, stoßen Sie so schnell wie möglich die Mine wieder ab. Und dann investieren Sie in Opium, wie ich es Ihnen empfohlen hatte. Da ist momentan am besten Geld zu machen!«
»Die Mine abstoßen? Wie soll ich das denn, wenn es so ein unsinniges Geschäft ist, wie Sie sagen?«, wandte de Burgh zweifelnd ein.
Havisham räusperte sich ungeduldig. De Burgh war wirklich alles andere als ein gewiefter Geschäftsmann. Typisch! »Finden Sie eben einen anderen Narren! London wird voll von begeisterten Bürgern mit zu viel Geld in der Tasche sein in der nächsten Zeit. Sie wollten ja mit ihrem hübschen Töchterchen zur Krönung fahren. Da wird sich schon die eine oder andere Gelegenheit ergeben. Bis dahin strecke ich Ihnen, wie gesagt, zu einem günstigen Zinssatz ausreichend Geldmittel vor.«
Sein Gesprächspartner blickte ihn zweifelnd, ja hilflos an. Havisham stand auf. »Nun gut, de Burgh, ich werde Ihnen auch dabei helfen. Vielleicht können Sie noch etwas von mir lernen.« Er lachte selbstbewusst. Dann trat ein lauernder Ausdruck auf sein Gesicht. »Und wenn wir schon gerade dabei sind … auch Sie könnten mir einen großen Gefallen tun.«
Sein Gesprächspartner war die Beflissenheit in Person: »Aber sicher doch. Alles, was nur in meiner Macht steht, mein lieber, verehrter Havisham.«
Horace Havisham lehnte sich gegen die Kante seines gewaltigen Schreibtisches und besah eine Weile seine sorgfältig manikürten Hände. Jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen, die Schlinge zuzuziehen. Havisham, der
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