Die dritte Sünde (German Edition)
kaum folgen konnte. Dass ihr jemand bei dem, was sie vorhatte, zusah – und wenn es sich dabei auch nur um Cathy handelte – war ihr nicht recht. Doch da richtete diese mit einem Mal das Wort an sie: »Miss Isobel, Ihr Vater wünscht, dass Sie eine Entscheidung über mich treffen.« Cathys Stimme zitterte merklich, als sie anfügte: »Meine Aufgabe hier ist nun mit Ihrer Abreise abgeschlossen. Ich habe Ihnen doch immer gut gedient und bin Ihnen, so hoffe ich, auch eine gute Spielkameradin gewesen. Lassen Sie mich nun bitte gehen.«
Isobel hielt inne und musterte Cathy ungeduldig. Zu einer solchen Diskussion hatte sie jetzt wirklich keine Lust. Konnte das nicht warten? Aber Cathy missverstand ihren unwilligen Gesichtsausdruck offenbar und verlegte sich aufs Bitten. »Miss Isobel, bitte, ich möchte nicht auf Whitefell bleiben. Da ist auch kein Platz für mich, und zu meiner Familie kann ich auch nicht zurück. Ich weiß nicht, was aus mir werden soll und ich habe kein Geld. Ich habe ja nie Lohn bekommen. Bitte, vielleicht könnte ich in Wilton House eine Stelle als Dienstmädchen oder Stallmagd bekommen. Mir ist jede Arbeit recht. Können Sie nicht morgen für mich ein gutes Wort bei Lady Branford einlegen?«
»Ach, lass mich doch damit jetzt in Ruhe, dazu ist nachher noch Zeit.« Isobel hatte sich ungehalten abgewendet. Sie wollte auf alle Fälle rechtzeitig zu dem mit Aaron vereinbarten Treffpunkt kommen. Das alles konnte man doch auch noch nachher regeln. Musste ihr Cathy jetzt damit in den Ohren liegen? Obwohl …? Ein schemenhafter Gedanke machte sich in ihr breit: Cathy hatte sich zumindest in einer Hinsicht in der letzten Zeit als überaus hilfreich erwiesen. Sie war verschwiegen und hatte ihr als Begleitperson die eine oder andere Freiheit ermöglicht, die sonst undenkbar gewesen wäre. Gerade jetzt gab ihr Cathys Begleitung die entscheidende Möglichkeit zu tun, was sie wollte. Das war wirklich ein sehr nützlicher Aspekt, den sie nicht leichtfertig aufgeben sollte. Nach London konnte Cathy sie natürlich nicht begleiten. Wie würde das denn aussehen? Miss Isobel de Burgh bei ihrer gesellschaftlichen Einführung mit einer Bauerntochter im Schlepptau? Unmöglich! Als Zofe war Cathy zumindest jetzt auch noch nicht zu gebrauchen, da ihr die entsprechende Einweisung fehlte, aber das ließe sich ja später problemlos nachholen. Warum sollte sie sie also gehen lassen? »Ich weiß nicht, Cathy«, sagte sie leichthin. Ihre ehemalige Spielgefährtin sollte nicht merken, wie wertvoll sie für Isobel sein konnte, »vielleicht habe ich ja doch noch Verwendung für dich. Wenn ich wieder zurückkomme, könntest du doch meine Zofe werden. Dann bekommst du auch Lohn. In Wilton House werden sie dich wahrscheinlich nicht brauchen können. In Wilton gibt es wirklich genug junge Frauen aus dem Volk, die nach Arbeit suchen und kräftiger sind als du. Du hast ja in den letzten Jahren nicht allzu schwer geschuftet, nicht wahr?« Absichtlich würzte sie ihre Worte mit etwas Spott. Cathy sollte sich nur nichts einbilden.
Seltsamerweise wirkte Cathys Stimme nahezu panisch, als sie antwortete: »Aber vielleicht gibt es woanders einen Platz für mich. Bitte, Miss Isobel, vielleicht in Salisbury bei Mr Havisham oder bei einem anderen Geschäftsfreund Ihres Vaters?« Isobel, die bereits weitergegangen war, drehte sich erstaunt und leicht verärgert zu ihr um. »Ich weiß gar nicht, was mit dir los ist, Cathy! Ich fasse das langsam wirklich als Beleidigung auf. Warum willst du nur unbedingt fort von hier? Schluss jetzt damit! Du bleibst in meinen Diensten, und so lange ich in London bin, wirst du zu deiner Familie zurückgehen. Was sollen sie denn dagegen haben? Es sind schließlich deine Leute! Sei doch nicht kindisch! Ich werde dich dann zu gegebener Zeit rufen lassen.«
»Nein!«, Cathy war noch blasser geworden, als sie es ohnehin schon war. »Sie verstehen nicht, Miss Isobel, ich kann nicht zurück zu meiner Familie.«
»Hör jetzt endlich auf mit diesem Unsinn! Ich sage, du gehst zurück, und dann gehst du. Es ist schließlich nur für kurze Zeit!« Isobel war jetzt ernstlich böse.
»Aber ich kann nicht!« Cathy brach plötzlich haltlos in Tränen aus. Das erstaunte Isobel dann doch. So unbeherrscht hatte sie Cathy noch nie erlebt »Ich kann nicht, weil … weil mein Vater mich verstoßen hat. Ich bin schuld daran, dass Billie verunglückt ist. Meine Familie hasst mich dafür. Ich kann nicht zurück!«
Isobel verbiss sich
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