Die dritte Sünde (German Edition)
hinüberzugehen, um sich dieses exquisite Schauspiel nicht entgehen zu lassen, da hielt Mary-Ann sie am Arm fest. »Isobel, das war gemein und hinterhältig. Wir beide wissen, dass du dich nicht die Spur um Florences Reputation sorgst. Du gönnst es ihr nur nicht, dass sie geliebt wird. Und Mr Thornton liebt sie wirklich! Niemand weiß das besser als ich. Denkst du, ich sehe nicht, dass du dich insgeheim vor Lachen über sie ausschüttest, dass du sie verachtest, weil sie nicht so hübsch und schlank ist wie du. Genauso, wie du dich über mich lustig machst. Aber sei versichert, Isobel, weder Florence noch ich sind so dumm und gefühllos, das wir nicht längst gemerkt haben, wie du dich über uns erhebst und was für ein verzogenes, charakterschwaches Geschöpf du in Wahrheit bist. Ich verachte dich, Isobel de Burgh, für das, was du meiner Schwester heute angetan hast.« Mary-Ann bedachte sie noch einmal mit einem angewiderten Blick und durchquerte dann, treu gefolgt von Mr Fountley, den Saal, wo inzwischen – wie kaum anders zu erwarten – ein kleiner Tumult losgebrochen war.
Isobel schnappte nach Luft. Dass Mary-Ann ihr so unverblümt die Meinung sagen würde, hatte sie nicht erwartet. Betreten sah sie sich um. Um sie herum hatte sich ein leerer Raum gebildet. Natürlich waren die nächsten Umstehenden Zeugen der harschen Worte Mary-Anns geworden. Lord und Lady Fountley rückten ebenfalls unmerklich von ihr ab. Die Situation wurde mehr als peinlich. Isobel konnte es nicht länger ertragen. Was für ein grauenvoller Ball war dies doch! Sie wollte nur noch nach Hause. Rasch entfernte sie sich aus der starrenden Gesellschaft, um ihren Vater zu bitten, sie nach Hause zu geleiten.
Der kam ihr entgegen, als er sie herankommen sah. Die Aufregung hatte sich inzwischen zumindest etwas gelegt. Mr Thornton eilte soeben mit hochrotem Gesicht dem Ausgang zu, während Florence mühsam versuchte, ihr tränenüberströmtes Gesicht vor der gaffenden Menge zu verbergen. »Isobel, deine Motive in allen Ehren, aber das war nicht eben geschickt und auch nicht sehr zartfühlend von dir«, tadelte sie ihr Vater, sichtlich erbost. »Der Earl wird dir das nicht vergessen. Zwar ist er wohl froh darüber, dass du seine Tochter vor dieser grandiosen Dummheit bewahrt hast, aber gleichzeitig hast du auch ihn und seine Familie vor Lord Blinsted bloßgestellt, der natürlich Zeuge dieses Vorfalls werden musste. Das wird Folgen haben. Hättest du mit deiner Eröffnung nicht ein wenig warten können? So war Lord Branford gezwungen, unverzüglich zu handeln. Das Ganze hätte sich auch diskreter lösen lassen.« Er rang nervös die Hände. »Wirklich, Isobel, heute hast du dich selbst übertroffen mit dem Schaden, den du in kürzester Zeit angerichtet hast.«
Nun machte ihr eigener Vater ihr auch noch Vorhaltungen. Isobel flüchtete sich in blanken Trotz, um nicht in Tränen auszubrechen. »Ich habe doch überhaupt nichts getan. Alle hacken auf mir herum, nur weil ich die Wahrheit gesagt habe.«
»Die Wahrheit, mein liebes Kind, ist eine sehr dehnbare Sache. Das wirst du noch lernen müssen. Außerdem habe ich mit dir zu reden. Es ist an der Zeit, dass ich dir meinerseits die Wahrheit über meine Lage berichte, bevor du noch mehr Schaden anrichtest. Wer weiß, ob es überhaupt noch wieder gutzumachen ist.« Er geleitete sie zu einer weniger lauten Ecke des Raumes in der Nähe der Treppen, die in die oberen Bereiche des Hauses führten und wischte sich mit einer fahrigen Geste über die Stirn. »Ich hätte es dir vielleicht schon früher sagen sollen, aber ich brachte es nicht über mich. Ich wollte dir deine Zeit in London nicht unnötig beschweren.« Er schluckte ängstlich und sah ihr dann in die Augen. »Isobel, ich bin praktisch mittellos.« Isobel starrte ihren Vater fassungslos an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Die de Burghs waren wohlhabend, das wusste doch jeder. Ihr Mund öffnete sich in hilflosem Erschrecken.
»Ich weiß, dass dich das schockiert, mein Kind, aber es ist die nackte Wahrheit. Ich habe das meiste unseres Vermögens an der Börse verloren und unsinnigerweise auch noch Geld aufgenommen für ein, wie sich nun herausstellte, betrügerisches Geschäft. Ja, ich weiß! Ich hätte klüger handeln sollen, aber nun ist es einmal geschehen. Immerhin bin ich nicht der einzige Gentleman, der plötzlich vor dem finanziellen Nichts steht. Weißt du, der Goldpreis ist plötzlich empfindlich eingebrochen und …«
Isobel
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