Die dritte Todsuende
trank.«
»Tja, also, ich habe ihn so auf fünfundzwanzig geschätzt. Groß, sehr groß und dünn. Lange blonde Haare ungefähr bis zu den Schultern — nicht mal die Ohren konnte man sehen — und ein Bart. Aber kein Hippie, verstehen Sie. Sauber und anständig angezogen.«
»Wissen Sie noch, was er angehabt hat?«
»Cordhosen und ein Sportsakko.«
Die Männer blickten Boone an. Der Sergeant nickte grimmig. »Das war er. Und nun zu der Frau, Tony. Können Sie sie beschreiben?«
»Die konnte ich nicht allzugut sehen. Sie saß hinten an dem kleinen Tisch neben den Palmen. Nachts kommt das meiste Licht hier vom Pool. Sie saß also im Schatten, verstehen Sie? Ungefähr vierzig Jahre, würde ich meinen, ein paar mehr oder weniger.«
»Groß?«
»Meiner Schätzung nach vielleicht einsfünfundsechzig oder siebenundsechzig.«
»Trug sie einen Hut?«
»Kein Hut. Mittelbraunes Haar. Kurzgeschnitten.«
»Wie war sie angezogen?«
»Ganz zivil. Nichts Auffälliges. Weißer Rollkragenpullover. Denimrock.«
»War sie hübsch?«
»Nee. Normalerweise würde man sie überhaupt nicht bemerken. Flache Brüste. Niedrige Absätze. Kein Make-up. Ein Nichts.«
»In Ordnung, jetzt haben wir also die Frau, die für sich allein Weißwein trinkt, und den blonden Burschen am anderen Tisch mit seinem Bier. Wie sind die beiden zusammengekommen?«
»Der Junge steht plötzlich auf, nimmt sein Glas und die Flasche und tritt an ihren Tisch. Ich habe ein Auge auf ihn, verstehen Sie, denn wenn sie plötzlich anfängt, wie am Spieß zu schreien, dann muß ich ihm auf die Schulter klopfen und dafür sorgen, daß er sich wieder an sein Bier hält und nicht an sie.
Aber er redet, und sie antwortet, und ich sehe sie lächeln, und kurz darauf setzt er sich an ihren Tisch, und sie reden weiter und lachen, also mache ich mir weiter keine Gedanken mehr.«
»Konnten Sie hören, worüber sie sich unterhalten haben?«
»Nee. Wer will sich schon so'n Quatsch anhören? Wenn sie mir winken, bringe ich ihnen eine neue Runde. Dafür werde ich bezahlt. Nicht dafür, daß ich mir den Quatsch anhöre, den die Gäste so verzapfen.«
»Sind sie zusammen weggegangen?«
»Sicher. Sie waren die letzten. Deswegen kann ich mich auch so gut an sie erinnern. Alle anderen waren schon gegangen, und ich mußte ihnen sagen, daß wir schließen. Also haben sie ihre Rechnung bezahlt und sind auch gegangen.«
»Wer hat gezahlt?«
»Jeder für sich. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden; beide haben mir ein Trinkgeld gegeben. Was will man mehr?«
»Haben Sie gesehen, wohin sie gegangen sind? Zu den Fahrstühlen?«
»Keine Ahnung. Ich bin mit dem Geld und den Rechnungen zur Bar gegangen. Als ich zurückkam, waren sie weg. Mein Trinkgeld lag auf dem Tisch. Sie hatten sogar ihre Gläser mitgenommen.«
»War das nicht ungewöhnlich?«
»Nee. Manche Leute wohnen hier im Hotel, und wenn sie ihr Glas hier nicht austrinken, nehmen sie es mit auf ihre Zimmer. Die Mädchen finden sie dann dort und bringen sie wieder herauf. Nichts geht verloren, und niemand verliert was dabei.«
»Also sind sie so um Mitternacht aufgebrochen?«
»Auf die Minute.«
Sergeant Boone blickte Delaney an. »Haben Sie noch Fragen, Chief?«
»Tony«, sagte Delaney, »können Sie uns noch mehr über diese Frau erzählen?«
»Zum Beispiel?«
»Was für ein Gewicht hatte sie schätzungsweise?«
»Sie war ziemlich mager. Können nicht mehr als hundertzwanzig Pfund gewesen sein. Wahrscheinlich noch weniger.«
»Wie war ihre Stimme?«
»Ganz normal, nichts Besonderes. Leise. Höflich.«
»Ihre Haltung?«
»Darauf habe ich nicht geachtet. Tut mir leid.«
»Das ist schon in Ordnung. Sie haben nicht zufällig bemerkt, ob sie ein Goldarmband trug?«
»An ein Goldarmband kann ich mich nicht erinnern, nein.«
»Sie sagten, sie hätte ziemlich durchschnittlich ausgesehen, nicht wahr?«
»Ja. Ein längliches Gesicht.«
»Wenn Sie raten müßten, was sie beruflich macht, was würden Sie sagen?«
»Sekretärin vielleicht. So was in der Art.«
»Hat sie den jungen Burschen angefaßt?«
»Angefaßt?«
»Seine Wange. Sein Haar gestreichelt. Ihre Hand auf seinen Arm gelegt. Irgendwas in der Art.«
»Sie meinen, ob sie ihn scharf machen wollte? Nein, nichts dergleichen.«
»Haben Sie einen von den beiden vorher schon mal gesehen?«
»Nein, nie.«
»Zusammen oder einzeln? Sie waren noch nie hier?«
»Ich habe sie jedenfalls nie bemerkt.«
»Haben Sie sich benommen, als wären sie Bekannte?
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