Die dritte Todsuende
halten. Was genau ist eine präorgasmische Frau?«
»Das ist doch wohl offensichtlich, oder nicht?« fragte Monica. »Das ist eine Frau, die nie einen Orgasmus gehabt hat.«
»Eine frigide Frau?« fragte Boone.
»Typisch männliche Reaktion«, spottete seine Frau.
»Frigide ist ein herabsetzendes Wort«, sagte Monica. »Tatsächlich bedeutet frigide nichts anderes, als Sex ablehnend gegenüberzustehen, und es trifft sowohl auf Männer als auch auf Frauen zu. Aber die armen Männer mit ihren zerbrechlichen kleinen Egos konnten den Gedanken an einen sexlosen Mann nicht ertragen, deswegen benützten sie das Wort frigide nur für Frauen. Unsere Rednerin heute abend hat jedoch ausgeführt, daß es so was wie eine irreversible Konditionierung von Männern oder Frauen gar nicht gibt. Sie sind lediglich präorgasmisch. Mit etwas therapeutischem Training können auch sie orgasmische Sexualität erleben.«
»Und so den ihnen zustehenden Platz in der modernen Gesellschaft einnehmen«, ergänzte Chief Delaney mit unverhohlenem Spott.
Monica weigerte sich, den Köder aufzunehmen. Sie wußte, daß er stolz auf ihre Aktivitäten innerhalb der feministischen Bewegung war. Nachdem die Kinder ins Internat gegangen waren, hatte sie in der Frauenbewegung ein Betätigungsfeld gefunden. Sie hatte einen Wirbelwind an Treffen, Vorträgen, Symposien, Demonstrationen, Unterschriftensammlungen und Protestbriefen entfesselt und sich darüber hinaus noch für die Sanierung des Viertels eingesetzt.
Edward X. Delaney war darüber sehr froh. Es machte ihn glücklich, sie so lebendig, enthusiastisch und kämpferisch zu sehen. Und wenn sie ihren »Job« mit nach Hause nahm, so war das nicht mehr, als was er auch immer getan hatte, solange er noch im aktiven Dienst gewesen war.
Er hatte all seine Fälle mit Monica und vorher mit Barbara, seiner ersten Frau, diskutiert. Beide hatten geduldig zugehört, Verständnis aufgebracht und ihm manchmal gute Ratschläge gegeben.
Wie er jetzt so in seinem Clubsessel saß und seine Frau beobachtete, erkannte er, nicht zum erstenmal, was für ein Glück er mit den Frauen in seinem Leben gehabt hatte.
Monica Delaney war eine stämmige Frau mit einer schlanken Taille zwischen kräftigen Schultern und breiten Hüften. Sie strahlte sanfte Sinnlichkeit aus, körperliche Wärme. Ihr Feuer war ganz und gar nicht nur geistig.
Ihr schwarzes Haar war dick und glänzend; sie trug es aus der Stirn gekämmt und lang, fast bis zu den Schultern. Sie gab sich keine Mühe, ihre kräftigen Augenbrauen auszuzupfen. Das Make-up blieb auf ein Minimum beschränkt. Sie war eine große, vollendete Frau, die keine Angst vor Zärtlichkeit hatte und sich nicht scheute, zu weinen, wenn ihr danach zumute war.
Während er sie jetzt beobachtete, ihr Lachen, ihre lebhaften Gesten, rührte sich plötzlich ein vertrautes Gefühl in ihm, und er wünschte, seine Gäste wären schon gegangen. Monica blickte ihn plötzlich an und blinzelte. Wie üblich hatte sie seine Stimmung mitbekommen.
»Sagen Sie, Chief«, meldete sich Rebecca in ihrer unbefangenen Art, »was halten Sie wirklich von der Frauenbewegung?«
Delaney richtete seine Antwort direkt an Rebecca, ohne seine Frau anzublicken.
»Was ich wirklich davon halte?« wiederholte er. »Mit den meisten ihrer Ziele kann ich mich voll und ganz identifizieren.«
»Ich weiß«, sagte Rebecca mit einem resignierten Seufzer. »Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit.«
»Nein, nein«, sagte er rasch. »Monica hat mir da schon einiges beigebracht. Gleiche Bezahlung für vergleichbare Arbeit.«
Seine Frau nickte zustimmend.
»Und womit können Sie sich nicht identifizieren?« fragte Rebecca frech.
Er ordnete seine Gedanken. Dann sagte er langsam: »Zwei Punkte, gegen die ich nicht direkt etwas habe, denen ich aber reserviert gegenüberstehe. Der erste ist kein Fehler der Frauenbewegung, sondern ein Charakteristikum aller Minoritäten oder unterdrückten Gruppen, die als Individuen und nicht als Stereotypen behandelt werden wollen. Nichts dagegen einzuwenden. Aber um dieses Ziel zu erreichen, müssen sie sich organisieren. Dann — um politische und wirtschaftliche Macht zu erringen — müssen sie eine Fassade errichten, die… so monolithisch wirkt wie nur eben möglich. Die Schwarzen, die Chicanos, die Indianer, die Italoamerikaner, die Frauen — wer auch immer. Um ein Maximum an Druck ausüben zu können, müssen sie eine Gruppe, eine Verbindung, einen Block bilden und mit einer
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