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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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einzigen, starken Stimme sprechen. Noch einmal — nichts dagegen einzuwenden. Aber indem sie das tun, werden sie weniger individualistisch und mehr stereotyp als zuvor — wenigstens wirkt ihr Bild in der Öffentlichkeit so.«
    »Hältst du mich für eine stereotype Feministin?« fragte Monica hitzig.
    »Ganz und gar nicht«, antwortete er ruhig. »Aber nur weil ich dich kenne, mit dir verheiratet bin und mit dir zusammenlebe. Aber kannst du denn wirklich leugnen, daß sich seit Beginn der gegenwärtigen feministischen Bewegung — wie lange mag das zurückliegen, fünfzehn Jahre vielleicht? — ein stereotypes Bild der Feministin entwickelt hat?«
    »Und der zweite Punkt?« fragte Rebecca Boone hastig, in dem Glauben, einen Ehekrach abwenden zu müssen. »Sie sagten, Sie hätten zwei Einwände gegen die Frauenbewegung.«
    »Keine Einwände«, erinnerte er sie. »Bedenken. Der zweite Punkt ist folgender: die Frauen in der feministischen Bewegung kämpfen um Chancengleichheit, gleiche Bezahlung und dieselben Aufstiegsmöglichkeiten in Wirtschaft, Politik und Industrie, wie sie Männern geboten werden. Gut. Aber habt ihr wirklich bedacht, was euer Ruf nach Gleichberechtigung mit sich bringen könnte? Schaut euch den armen Sergeant Abner Boone hier an — eine wandelnde Leiche.«
    Der Sergeant grinste schwach.
    »Ich schätze, er hat in den letzten sechs Wochen mindestens achtzehn Stunden am Tag gearbeitet. Hin und wieder hat er vielleicht mal ein kurzes Nickerchen einschieben können. Fettes, öliges Essen, wenn er überhaupt die Zeit dazu gefunden hat. Glauben Sie, Ihr Mann genießt dieses Leben? Aber er ist ein professioneller Cop, und er tut, was er kann. Hätten Sie gern einen vergleichbaren Job mit all seinen Anforderungen, dem Streß, der Belastung und dem Risiko? Das kann ich mir nicht vorstellen.
    Worauf ich hinauswill, ist, daß ich nicht glaube, daß die Frauen wirklich voll realisiert haben, wonach sie da rufen. Man reißt keine Mauer nieder, ehe man weiß, was dahinter liegt. Dort lauern Gefahren, Rückschläge und Verantwortlichkeiten, derer ihr euch nicht bewußt seid.«
    »Wir sind bereit, diese Verantwortlichkeiten zu akzeptieren«, sagte Rebecca Boone bockig.
    »Seid ihr das?« fragte Delaney mit sanftem Sarkasmus. »Seid ihr wirklich bereit, einem mit Drogen vollgepumpten, mit einer Machete bewaffneten Süchtigen in eine dunkle Seitenstraße nachzujagen? Seid ihr bereit, in der Army zu dienen und, im Kriegsfall, vorzurücken, wenn ihr wißt, daß eure Chancen praktisch gleich Null sind? Oder auf einem prosaischeren Niveau — seid ihr bereit, euch die Arbeitsstunden eines gehetzten Wirtschaftsmanagers aufzuhalsen? Darauf zu achten, daß Termine eingehalten werden, daß die Kosten innerhalb des Budgets bleiben, daß ihr einen Profit erwirtschaftet — und dabei Magengeschwüre, Lungenkrebs, Alkoholismus oder, schlimmstenfalls, im Alter von vierzig Jahren eine Herzattacke oder einen Schlaganfall zu riskieren? Ich sage ja nicht, daß die Jobs aller Männer so sind. Ein Haufen Männer ist in der Lage, den Druck einer Position in der Chefetage zu ertragen und jeden Abend nach Hause zu gehen und die Begonien zu gießen. Aber genau so viele brechen zusammen, geistig oder körperlich. Die oberen Ränge unserer Gesellschaft, auf die es die Frauen abgesehen haben, bringen einen erschreckenden Prozentsatz an gebrochenen, impotenten oder einfach ausgebrannten Männern hervor. Ist das die Gleichberechtigung, die ihr wollt?«
    Monica Delaney reagierte überraschend. »Edward«, sagte sie, »vieles von dem, was du gesagt hast, ist wahr. Nicht alles, aber eine Menge.«
    »So?« sagte er.
    »Ja«, erwiderte sie. »Natürlich ist uns klar, daß Frauen, wenn sie ihren rechtmäßigen Platz in den oberen Rängen des Establishments einnehmen, demselben Druck und denselben Anforderungen ausgesetzt sein werden wie die Männer. Aber muß das so sein? Wir glauben, nein. Wir glauben daran, daß das System geändert oder wenigstens modifiziert werden kann, so daß Erfolg nicht mehr automatisch auch Magengeschwüre, Herzattacken und Schlaganfälle bedeutet. Das System — dieses Friß-oder-du-wirst-gefressen-den-letzten-beißen-die-Hunde-System — ist nicht auf Steintafeln gemeißelt und von irgendeinem Berg heruntergebracht worden. Es ist von Menschen geschaffen worden. Es kann von Menschen geändert werden — von befreiten Männern und Frauen.«
    Delaney starrte seine Frau an. »Und wann wird dieses Paradies auf Erden deiner

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