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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Meinung nach ausbrechen?«
    »Wir werden das wahrscheinlich nicht mehr erleben«, gab sie zu. »Es ist noch ein weiter Weg. Aber der erste Schritt besteht darin, Frauen an die Schaltstellen der Macht zu setzen, damit sie die Zukunft unserer Gesellschaft beeinflussen können.«
    »Sie von innen aushöhlen?« fragte er.
    »Manchmal bist du wirklich ein Ekel«, sagte sie grinsend. »Aber der Grundgedanke ist richtig, ja. Man muß das System beeinflussen, indem man ein integraler Bestandteil dieses Systems wird. Zuerst kommt die Gleichberechtigung. Dann die Befreiung. Für Frauen und Männer.«
    Sergeant Abner Boone stand unsicher auf. »Hört mal«, sagte er heiser, »Ich finde das Thema wirklich interessant, aber ich bin so erledigt, daß ich zu meiner Schande wahrscheinlich einschlafen würde. Rebecca, ich glaube, wir gehen jetzt besser.«
    Seine Frau stand auf, ergriff seinen Arm und blickte ihn besorgt an. »Sicher, Liebling«, sagte sie. »Wir gehen. Gib mir den Wagenschlüssel. «
    Die Delaneys blieben in der offenen Haustür stehen, winkten und warteten, bis die Boones in ihrem Wagen saßen und davonfuhren, ehe sie wieder hineingingen. Dann schloß der Chief die Haustür, verriegelte sie und hängte eine Kette vor. Er drehte sich um und sah seiner Frau in die Augen.
    »Endlich allein«, sagte er.
    Sie blickte ihn an. »Heute abend hast du dich aber mit Ruhm bekleckert, Freundchen«, sagte sie.
    »Danke«, sagte er.
    Sie hielt ihren Blick noch eine Zeitlang durch, dann brach sie in Gelächter aus. Sie nahm ihn in ihre starken Arme. Sie waren sich nah, sehr nah. Dann gab sie ihn wieder frei.
    »Was würde ich nur ohne dich anfangen«, sagte sie. »Ich kümmere mich ums Geschirr; du sperrst ab.«
    Er machte die Runde, wie jeden Abend: die Festung verrammeln, den Burggraben fluten, die Zugbrücke einholen. Dann stieg er die Treppe zum Schlafzimmer im ersten Stock hinauf. Monica schlug die Betten auf. Edward X. Delaney ließ sich schwerfällig auf einen zerbrechlichen Schlafzimmerstuhl sinken. Er beugte sich vor, um seine Schuhe auszuziehen.
    »Ist das Treffen wirklich gut gelaufen?« fragte er seine Frau.
    »So lala«, sagte sie und bewegte dabei die ausgestreckte Hand hin und her. »Im Grunde Stoff für Anfänger — der Vortrag, meine ich. Schien aber trotzdem alle zu interessieren. Und das Essen ist angekommen. Was hast du gegessen?«
    »Ein Sandwich und ein Bier.«
    »Zwei Sandwiches und zwei Bier. Ich hab's gezählt. Edward, du mußt einfach aufhören, dich mit Sandwiches vollzustopfen. Du wirst eines Tages noch so dick wie ein Möbelwagen.«
    »Je mehr an mir dran ist, desto mehr kannst du lieben«, sagte er.
    »Was soll das heißen?« wollte sie wissen. »Daß ich vor Leidenschaft umkommen werde, wenn du dreihundert Pfund wiegst?«
    Beide kleideten sich langsam aus, sie tauschten unzusammenhängende Bemerkungen und gähnten.
    Dann fragte er: »Hast du mal wieder was von Karen Thorsen gehört?«
    »Ja, sie hat angerufen. Gestern, um genau zu sein. Möchte sich mal wieder mit uns treffen. Ich habe ihr gesagt, daß ich dich fragen würde und ihr dann Bescheid gebe.«
    »Aha.«
    Etwas in seiner Stimme ließ sie stutzen. Sie strich das blaue Nachthemd glatt, das sie sich gerade über den Kopf gestreift hatte.
    »Was ist los?« fragte sie. »Will Ivar dich sehen?«
    »Keine Ahnung«, antwortete er. »Schließlich braucht er bloß den Telefonhörer in die Hand zu nehmen.«
    Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Worüber hast du mit Abner gesprochen? Über einen Fall?«
    »Ja«, sagte er.
    »Darfst du mit mir darüber reden?«
    »Sicher«, sagte er.
    »Warte, bis ich mir das Gesicht eingecremt habe«, sagte sie. »Schlaf mir ja nicht vorher ein.«
    »Bestimmt nicht«, versprach er.
    Während sie im Badezimmer war, schlüpfte er in seine Schlafanzughose. Er setzte sich wieder auf den Bettrand.
    Delaney war ein Bär, zu wuchtig, um anders als schleppend gehen zu können. Sein eisengraues Haar war extrem kurz geschnitten. Sein von tiefen Falten durchzogenes, melancholisches Gesicht hatte den versonnenen Ausdruck eines Mannes, der das Beste erhofft, aber mit dem Schlimmsten rechnet.
    Er hatte die kräftigen, runden Schultern eines MG-Schützen und einen Oberkörper, an dem unter neuem Fett noch alte Muskeln zu erkennen waren. Seine großen, leicht vergilbten Zähne, das wettergegerbte Gesicht, der mit den Narben alter Wunden bedeckte Körper — all das vermittelte den Eindruck eines Raubtiers, das zwar nicht mehr über die

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