Die dritte Todsuende
weil sie das immer vor Beginn ihrer Periode tat. Es wurde ihr nicht von Sehnsucht oder Begierde diktiert.
Gegen neun Uhr abends, als sie bereit zum Aufbruch war, hatte ihre zerstreute Euphorie nachgelassen; sie fühlte sich hellwach, scharf und entschlossen.
Sie trug ein Kleid aus pflaumenfarbenem Wolljersey mit einem langen Plastikreißverschluß, der vom Kragen bis zum Saum die ganze Front hinunterlief. Am Zug des Reißverschlusses war eine Miniaturtrillerpfeife befestigt.
Wieder lud sie ihre Habe in die lederne Schultertasche um, achtete darauf, daß sie ihr Messer und die Mace-Dose hatte, und entfernte wie üblich alle Papiere aus ihrer Brieftasche.
Sie trug ihre erdbeerblonde Perücke. Am linken Handgelenk klirrte die Goldkette mit den Buchstaben Warum nicht?
Eine Stunde später schlenderte sie munter in das belebte Foyer des Cameron Arms, im Mund eine Zigarette, den Trenchcoat über den linken Arm gelegt. Sie bemerkte, daß sich die Männer nach ihr umdrehten, und wußte, sie wurde begehrt. Sie fühlte sich heiter, gelassen und hatte sich völlig unter Kontrolle.
Sie warf einen Blick in die Cocktail-Lounge mit der angeschlossenen Diskothek, aber dort war es zu laut und zu voll. Sie wanderte einen Gang hinunter zum Queen Anne Room. Er schien ebenfalls voll zu sein, aber nicht so hell erleuchtet und relativ ruhig. Sie ging hinein.
Der Raum war ziemlich düster. Überall fanden sich voluminöse Polster, nachgemachte Intarsienarbeiten und vage orientalisch wirkende Dekorationen und Vorhänge. Alle Tische und Banketten waren mit Paaren oder Vierergruppen besetzt, aber an der Bar gab es noch freie Hocker.
Zoe Kohler begann mit ihrer Nummer. Sie blickte sich um, als wäre sie mit jemandem verabredet. Sie fragte die Frau an der Garderobe nach der Uhrzeit, während sie ihr den Trenchcoat reichte. Sie ging betont langsam zur Bar, wobei sie sich ständig im Halbdunkel umblickte.
Sie bestellte ein Glas Wein bei einem Barkeeper, der wie ein englischer Schankwirt einer nicht genauer definierbaren Vergangenheit gekleidet war. Die Kellnerinnen waren als Landmägde kostümiert.
Zoe saß an der Bar, trank langsam ihren Wein und blickte starr gerade aus. Links von ihr war ein Paar in einen heftigen, geflüsterten Streit vertieft. Der Hocker rechts von ihr war leer. Sie wartete geduldig, erfüllt von erhabenem Selbstvertrauen.
Sie hatte gerade ein zweites Glas Weißwein bestellt, als ein Mann auf den freien Hocker neben ihr glitt. Sie riskierte einen raschen Blick in den Spiegel hinter der Bar. Etwa fünfundvierzig, schätzte sie. Mittelgroß, breite Schultern, gerötetes Gesicht. Gut angezogen. Blondes Haar, offensichtlich fönfrisiert und mit Spray gefestigt.
Seine Gesichtszüge waren schwer, fast plump. Zoe fand, er sah wie ein Ex-Sportler aus, der zu fett geworden war. Als er seinen doppelten Scotch an die Lippen führte, bemerkte sie einen Diamantring und eine locker fallende Goldkette an seinem behaarten Handgelenk.
Der Queen Anne Room wurde voller. Eine Gruppe von drei ziemlich grobschlächtigen Männern drängte sich auf der anderen Seite des blonden Mannes an die Bar, um einen Drink zu bestellen. Er rückte seinen Hocker näher an Zoe, um ihnen Platz zu machen. Seine Schultern streiften sie. Er sagte, »Verzeihung, Ma'am« und bedachte sie mit einem Aufblitzen weißer Zähne, die zu perfekt waren, um natürlich zu sein.
»Langsam wird's voll hier«, sagte er einen Augenblick später.
Sie blickte ihn an. Er hatte kleine, harte Augen.
»Die Tagungen, nehme ich an«, sagte sie. »Das Hotel muß bald aus den Nähten platzen.«
»Kann man wohl sagen«, meinte er mit einem Nicken. »Ich habe mein Zimmer schon vor Monaten reservieren lassen, sonst wäre ich hier nie untergekommen.«
»Auf was für einer Tagung sind Sie hier?«
»Genaugenommen auf keiner«, sagte er. »Aber ich besuche das Treffen des Verbands der Besitzer regionaler Luftfahrtgesellschaften. Hier…«
Er griff in die Jackettasche und holte seine Geschäftskarte heraus. Er reichte sie Zoe und ließ dann ein goldenes Feuerzeug aufschnappen, damit sie sie lesen konnte.
»Leonard T. Bergdorfer«, sagte er, »aus Atlanta, Georgia. Ich bin Makler. Hauptsächlich für An- und Verkauf regionaler Luftfahrtgesellschaften, Zubringerlinien, Speditionen, Chartergesellschaften — so was in der Art. Ich bringe Käufer und Verkäufer an einen Tisch. Deswegen bin ich auf diesem Treffen. Um Klatsch aufzuschnappen: wer will verkaufen, wer ist an einem Kauf
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