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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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abgebrochen war. An der Spitze fehlte etwa ein halber Zentimeter.
    Sie starrte das Messer an, versuchte die Gefahr zu berechnen. Wenn die Spitze nicht neben ihm auf dem Teppich lag, dann war sie wahrscheinlich irgendwo in seiner aufgeschlitzten Kehle verlorengegangen, abgebrochen an Knochen oder Knorpeln. Sie konnte nicht danach suchen, konnte ihn nicht berühren.
    Sie trieb sich zu größerer Eile an. Sie trocknete ihre Hände und das Messer mit einem seiner Handtücher ab und verstaute Handtuch, Messer und die leere Mace-Dose in ihrer Schultertasche. Sie ging ins Schlafzimmer. Das Gas löste sich langsam auf.
    Leonard T. Bergdorfer lag ausgestreckt in einer Lache seines eigenen Bluts. Zoe blickte sich um, konnte die Spitze ihrer Messerklinge aber nirgendwo entdecken.
    Sie griff nach ihrem Glas auf dem Nachttisch, trank den Wein aus und ließ es dann ebenfalls in der Schultertasche verschwinden. Sie ging noch einmal zurück, um die Klinke der Badezimmertür und die Wasserhähne mit dem feuchten Waschlappen abzuwischen. Desgleichen die Klinke der Schlafzimmertür.
    Im Salon zog sie ihren Mantel an, entriegelte und öffnete die Tür zum Flur und spähte hinaus. Dann wischte sie Schloß, Kette und Türknopf ab und schob den Waschlappen in die Schultertasche. Sie öffnete die Tür mit dem Fuß und trat auf den leeren Korridor. Dann schob sie die Tür mit dem Knie wieder ins Schloß.
    Sie wartete gerade auf den Fahrstuhl nach unten, als der nach oben fahrende Lift im achten Stock hielt. Fünf Männer torkelten heraus. Sie lachten, überbrüllten sich gegenseitig und schlugen sich auf die Schultern. Männer waren so körperlich direkt.
    Sie warfen nicht einmal einen Seitenblick in ihre Richtung, sondern marschierten lärmend den Gang hinunter. Vor Bergdorfers Suite blieben sie stehen. Einer von ihnen hämmerte gegen die Tür.
    Dann hielt der Fahrstuhl nach unten im achten Stock, die Tür öffnete sich und Zoe Kohler stieg ein.

6
    Am Abend des 18. April, als Zoe Kohler auf der Party von Harry Kurnitz im Chez Ronald an der East 48th Street Weißwein trank, saß Edward X. Delaney einen Block entfernt mit dem Reporter Thomas Handry im Restaurant Bull & Bear beim Essen.
    Handry war ein schlanker, flinker Haudegen, dem man seine neunundvierzig Jahre nicht ansah. Seine Anzüge waren immer akkurat gebügelt, seine Schuhe geputzt, seine Hemden gestärkt und von leuchtendem Weiß. Er gehörte zu den wenigen Männern, die nach Delaneys Meinung eine Weste tragen konnten und trotzdem flott aussahen.
    Die einzigen Zeichen innerer Anspannung waren seine Fingernägel, abgekaut bis auf das Fleisch, und die nervöse Angewohnheit, sich mit dem Knöchel des gekrümmten Zeigefingers über die Oberlippe zu fahren, ein Überbleibsel aus der Zeit, als er noch einen luxuriösen Kavalleristenschnurrbart zur Schau getragen hatte.
    »Übernehmen Sie die Rechnung?« hatte er gefragt, als sie eingetroffen waren.
    »Natürlich.«
    »In dem Fall«, hatte Handry gesagt, »nehme ich einen doppelten Martini pur mit einem Schuß Zitronensaft. Dann das Roastbeef, nicht durchgebraten, eine gebackene Kartoffel und einen kleinen Salat.«
    »Dagegen ist nichts einzuwenden«, sagte Delaney. Er wandte sich dem Kellner zu. »Dasselbe bitte.«
    Der Reporter musterte den Chief kritisch.
    »Sie verändern sich auch nie«, sagte er. »Sie sehen nicht einen Tag älter aus als damals. Was haben Sie für ein Geheimnis? Haben Sie dem Teufel Ihre Seele verkauft?«
    »So was in der Art«, sagte Delaney. »Tatsächlich bin ich schon alt geboren worden.«
    »Ich glaube Ihnen«, sagte Handry. Er stemmte beide Ellbogen auf die Tischplatte und rieb sich das Gesicht mit den Handflächen.
    »Harter Tag?« fragte der Chief.
    »Das Übliche. Vielleicht bin ich auch bloß gelangweilt. Wissen Sie, mehr und mehr neige ich zu dem traurigen Schluß, daß nichts tatsächlich Neues mehr passiert. Ich meine, nehmen Sie eine Zeitung von vor, sagen wir, hundert Jahren in die Hand, und es ist alles da: Armut, Hunger, Kriege, Unfälle, Erdbeben, korrupte Politiker, Verbrechen und so weiter. Nichts ändert sich.«
    »Das stimmt. Nicht wirklich. Zumindest die Menschen bleiben sich gleich.«
    »Nehmen Sie diesen Hotel-Ripper«, fuhr Handry fort. »Das ist doch bloß eine Wiederholung dieser Son-of-Sam-Geschichte, oder?«
    Aber in diesem Moment tauchte der Kellner mit ihren Drinks auf und bewahrte Delaney vor einer Antwort.
    Sie tranken Ale zu ihrem Roastbeef und später Armagnac zum Kaffee. Dann

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