Die dritte Todsuende
immer noch diese Salztabletten?«
»Ja. Zwei pro Tag.«
»Haben sie ein besonderes Bedürfnis nach zusätzlichem Salz?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Na, das ist ja schon was. Die Krämpfe treten noch immer auf?«
Sie nickte.
»Besser, schlimmer oder ungefähr gleich?«
»Ungefähr gleich«, sagte sie. »Vielleicht etwas schlimmer als letzten Monat.«
»Wann ist es wieder soweit?«
»In ein paar Tagen.«
Er lehnte sich zurück. »Wenn Sie unter Streß stünden, würde das den erhöhten Blutdruck erklären. Das könnte bei einer Frau von Ihrer Kondition ein gewisser Anlaß zur Besorgnis sein. Streß — selbst wenn es sich nur um eine Zahnextraktion handelt — bewirkt bei einem normalen Individuum auch einen erhöhten Cortisonausstoß. Aber Ihre Nebennierenrinde ist fast völlig zerstört. Falls Sie also unter Streß stehen, sollten wir Ihre Cortisonaufnahme steigern, um Ihren Haushalt auszugleichen.«
»Aber ich stehe nicht unter Streß!« beharrte sie.
»Darüber hinaus steigt unter Streß der Natriumchloridbedarf, damit der Körper nicht dehydriert. Sie haben sich nicht zufällig in letzter Zeit öfters übergeben müssen?«
»Nein.«
»Tja, wir werden wohl die Laborergebnisse der Blutuntersuchungen und der Urinanalyse abwarten müssen, ehe wir definitiv wissen, ob wir es mit Cortisonmangel zu tun haben. Ich habe geringfügige Anzeichen einer Verfärbung der Haut entdeckt, normalerweise ein untrüglicher Hinweis. Ein weiteres Anzeichen besteht in einer Strukturschwächung von Achsel-und Schambehaarung. Und dann ist da noch dieser Gewichtsverlust …«
»Aber Sie sind nicht sicher?« fragte sie.
»Was den Cortisonmangel betrifft? Nein. Der hohe Blutdruck verwirrt mich. Cortisonmangel wird normalerweise von zu niedrigem Blutdruck begleitet. Das kleine Problem, das Dilemma, von dem ich gesprochen habe, ist folgendes: gemeinhin empfiehlt sich für Patienten mit hohem Blutdruck eine salzfreie Diät. Aber die Natur Ihres Leidens erfordert, daß Sie neben Ihren Mahlzeiten noch zusätzlich Natriumchlorid aufnehmen. Jetzt ist guter Rat teuer. Für den Augenblick möchte ich eine Steigerung der Cortisonaufnahme empfehlen. Wieviel nehmen Sie im Augenblick?« Er warf einen Blick auf die Karteikarte vor sich. »Da haben wir's ja schon — fünfundzwanzig Milligramm. Stimmt das?«
»Ja.«
»Wann nehmen Sie die?«
»Morgens. Zum Frühstück.«
»Verspüren Sie danach manchmal Übelkeit?«
»Nein.«
»Gut. Ich schlage vor, Sie nehmen von jetzt an eine weitere Dosis am späten Nachmittag. Wenn möglich, mit Milch oder einem Mittel, das den Magen beruhigt. Manchmal löst Cortison Irritationen der Magenschleimhaut aus, wenn man es in nüchternem Zustand nimmt. Haben Sie das alles verstanden?«
»Ja, Doktor. Aber mein Cortison geht zu Ende. Ich brauche ein neues Rezept.«
Stark zog einen Block heran und kritzelte etwas auf das oberste Blatt.
»Wo Sie gerade dabei sind«, sagte Zoe beiläufig, »könnten Sie mir noch etwas Tuinal verschreiben.«
Er blickte abrupt auf.
»Leiden Sie an Schlaflosigkeit?«
»Ja. Fast jede Nacht.«
»Versuchen sie es mit einem Highball, bevor Sie ins Bett gehen. Oder einer Unze Brandy.«
»Das habe ich schon probiert«, sagte sie, »aber es nützt nichts.«
»Noch ein Dilemma«, klagte Dr. Stark. »Gewöhnlich würde ich bei Schlaflosigkeit die Cortisondosis reduzieren. Aber in Anbetracht Ihres Gewichtsverlusts und der anderen Faktoren werde ich sie heraufsetzen, bis wir die Laborergebnisse hier haben und wissen, woran wir sind.«
»Und was ist mit den Salztabletten?«
Er runzelte die Stirn und trommelte mit den Fingern auf der Schreibtischplatte herum. Dann sagte er: »Sie können sie weiternehmen. Zwei Tabletten pro Tag. Zoe, ich will Ihnen keine Angst einjagen. Ich habe Ihnen dutzendmal erklärt, daß es, vorausgesetzt, Sie halten sich treu an Ihre Medikation — und das müssen Sie bis ans Ende Ihrer Tage tun, genau wie ein Diabetiker —, keinen Grund gibt, warum Sie nicht ein langes und erfülltes Leben haben sollten.«
Er unterschrieb die beiden Rezepte und reichte sie ihr. Er bat sie, in vier Tagen anzurufen, damit er ihr die Ergebnisse der Blutuntersuchung und des Urintests mitteilen könne.
»Bitte, versuchen Sie, sich keine Sorgen zu machen«, sagte er. »Das klingt vielleicht einfacher, als es ist, aber Sorgen machen alles nur schlimmer.«
»Ich bin nicht beunruhigt«, sagte sie, und er glaubte ihr. Nachdem sie gegangen war, blieb er noch einen Moment sitzen
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