Die Drohung
Es ist ganz einfach.«
Cortone neigte den Kopf nach vorn. Ein schrecklicher Gedanke zog ihn wie mit Bleigewichten herunter.
»Dann wäre es auch ebenso einfach, mich –«
»Natürlich.« Platzer hob die schmalen, abfallenden Schultern. »Kein Mensch kann sich schützen. Es gibt da überhaupt keine Möglichkeit auf die Dauer.«
Cortone nickte. Er beschloß, bis zu Ted Dulcans Beerdigung nicht mehr seine Sportschule zu verlassen.
Aber war nicht auch das ein billiger Schutz? Es gibt nichts, was man für Dollars nicht kaufen könnte. Vor allem jeden Menschen.
»Ein verdammtes Leben!« sagte Cortone bedrückt. »Das ist ein wirklich verdammtes Leben.«
»Erzähl das noch mal. Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe.«
Sie lagen in der breiten Hollywoodschaukel am Rand des Schwimmbeckens, pendelten sanft hin und her, hielten sich umarmt und ließen beide ihre Hände über den nackten Körper des anderen gleiten. Sie waren satt von Liebe, aber die gegenseitige Berührung, das Fühlen der Wärme des anderen, wurde zu einer Verstärkung ihrer matten Zufriedenheit. Es war ein Genuß ohnegleichen. In solchen Verzückungen redet man sich die Seele fort, und Lucretia Borghi tat es, ohne zu bemerken, wie Ted Dulcan aus seinem Rausch erstaunlich schnell zur Gegenwart zurückkehrte und sein Gehirn zum Denken brauchte.
Wie Maurizio Cortone begriff auch Dulcan nur schwer, wieso gerade er dazu ausersehen war, diesen weißen, zur Erhaltung für die Nachwelt eigentlich in Marmor zu hauenden Körper zu besitzen. Bisher hatte er Lucretia noch nicht danach gefragt … solche Fragen sind auch unangebracht und, gelinde gesagt, zu blöd, um sie während heißer Umarmungen zu stellen und damit den aufgerissenen Himmel wieder zuzuziehen. Aber Gedanken macht man sich doch – darin war er nicht anders als Cortone. Wenn man 60 ist, bedeutet ein Mädchen von 26 Jahren die Rückkehr der Jugend in ein verwildertes Paradies. Und genau das ist es, was unbegreiflich ist. Dulcan war mittelgroß, schlank, trug die melierten Haare in leichten Wellen, war stolz auf seine Römernase und gehörte zu jener Sorte amerikanischer Gentlemen, deren Reichtum man von weitem riecht. In seinem Leben gab es eigentlich nur drei Geheimnisse: das waren seine Abstammung, die Einzelheiten seines Aufstiegs zum Millionär und sein Schneider. Wenn man diese drei Unbekannten im Leben von Ted Dulcan und Maurizio Cortone hätte lösen können, hätte man ein glasklares Bild von den beiden gehabt. So aber galt nur ihr Bankkonto … ein Passepartout, der ihnen alle Türen der New Yorker Gesellschaft weit öffnete.
»Seit einem Jahr bereitet Mauri ein großes Ding vor.« Lucretia dehnte sich. Dulcans Hand streichelte ihre Brustspitzen. (Nennen Sie mir eine Frau, die dem widerstehen kann.) »Eigentlich arbeitet er daran, seit er weiß, daß die Olympischen Spiele in München stattfinden.«
»Verrückt! Total verrückt! Ausgerechnet München! Die deutsche Polizei soll unbestechlich sein.«
»Ob München oder Honolulu, das ist Mauri gleichgültig. Wo auch immer die Olympischen Spiele gewesen wären … er hätte seinen Plan durchgeführt. Nun trifft es die Deutschen. Ein Glücksfall für Mauri. Die Deutschen haben genug Geld.«
Dulcan unterließ seine zärtlichen Tastuntersuchungen von Lucretias Körper. Er richtete sich auf, schob ihren nackten Leib etwas zur Seite und stellte die Füße auf den italienischen Kachelboden. Eine Erinnerung an Pompeji … handgemalte Kacheln mit klassischen römischen Motiven. Ein warmer Boden, denn unter den Glasuren lag ein Gewirr feiner Heizdrähte.
»Mauri ist nicht mehr ganz klar! Was er da startet, nimmt ihm doch kein ernsthafter Mensch ab.«
»Sie werden es abnehmen müssen.« Lucretia zog die Beine an. Dulcan blickte schnell zur Seite. Er mußte denken – andere Perspektiven hielten ihn nur auf. »Vor sieben Monaten – sagt Mauri – sind die beiden Bomben eingebaut worden.«
»Plutoniumbomben?«
»Ja. Vier Betongießer aus Kalabrien hatten es übernommen. Sie erhielten jeder 500.000 Lire, meldeten sich ein paar Tage später krank und verließen München. Es fiel bei den 3.000 Arbeitern gar nicht auf. Da kommen und gehen jeden Tag welche. Aber die Bomben liegen jetzt im Fundament des Olympiastadions, und Mauri hat als einziger den Impulsgeber, der sie zünden kann.«
»So etwas gibt es nicht.« Dulcan war aufgesprungen. »Maurizio hat dir ein Märchen erzählt, und du Schäfchen glaubst es.«
»Ich kann dir das
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