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Die Drohung

Die Drohung

Titel: Die Drohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf ihrem Mund, preßte selbst hastig die Lippen zusammen und hielt die Augen weit offen. Das war ihr größter Fehler, denn sie starrte genau in seinen Blick, in einen Glanz, der sie gegen ihren Willen schwach werden ließ, der alle Gegenwehr aus ihr heraussaugte wie ein riesiger Magnet.
    »Zwanzig Sekunden«, hörte sie Holden auf ihren Lippen sagen. »Mädchen, wir haben noch vierzig Sekunden vor uns …«
    Das ›Mädchen‹ besiegte sie endgültig. Sie öffnete die Lippen und erwiderte seinen Kuß. Und sie blieben weit über sechzig Sekunden zusammen, sahen nicht mehr auf die Uhr, der Whisky wurde warm und die Sandwichs bogen sich, weil sie austrockneten. Als sie später Durst bekamen und Hunger und sich über Flasche und Tablett hermachten, waren sie nicht mehr wählerisch, sondern tranken und aßen alles so, wie es eben da war, sanken dann wieder zurück und verkrallten sich erneut ineinander.
    Einmal sagte Holden: »Ich werde mich darauf spezialisieren, Eisberge zu schmelzen!«
    Und sie antwortete: »Du wirst in dem Schmelzwasser ertrinken …«
    Das Morgengrauen erlebten sie unter den träge ziehenden Rauchschwaden ihrer Zigaretten, die wolkengleich in niedriger Höhe über ihre nackten Körper schwebten. Es war eine rote Dämmerung, das Atelierfenster begann zu glühen, man hatte das Bedürfnis, die Gardinen vorzuziehen, um das Blut nicht vom Himmel in die Wohnung tropfen zu lassen. Es würde ein warmer Frühlingstag werden, einer jener Tage, an denen die Knospen aufbrechen, als sei die Sonne ein Hammer, der Panzer aufschlägt.
    »Warum das alles?« fragte Helga mit einer schrecklich nüchternen Stimme.
    Holden hob den Kopf. Die Frage riß ihn weg von einem romantischen Gedanken, den er seiner Seltenheit wegen genoß. Er hatte gedacht: Ich liebe sie.
    »Was heißt warum?« fragte er zurück.
    »Diese Nacht.«
    »Helga –«
    »Ich habe bisher einen Mann gehabt. Du bist der zweite. Darauf kannst du stolz sein. Der erste war mein Lehrmeister, ein kleiner, dürrer Fotograf. In der Dunkelkammer drückte er mir den Kopf in das Entwicklerbecken und ließ mir die Wahl, entweder zu versaufen oder stillzuhalten. Ich hielt still, und was er mit mir anstellte, war ekelhaft. Davon hat niemand erfahren, nicht einmal Hans. Da bist du auch der erste. Von diesem Tag an habe ich mir geschworen, mir den Mann selbst auszusuchen, der an mich herankommt. Ich habe ihn nie gefunden. Und nun bist du da … und alles ist so sinnlos.«
    »Sinnlos? Warum?«
    »Unsere Liebe ist doch eine Dummheit, nicht wahr?«
    »Ich sehe es anders, Mädchen.«
    »Sie hat keine Zukunft. Es ist absurd, einen Mann vom Geheimdienst zu lieben.«
    »Das sagt Harold Josoa Berringer auch immer. Dabei ist er selbst verheiratet und hat drei Kinder. Ein glücklicher Familienvater.«
    »Dazu muß man eine Begabung haben, Ric.«
    »Es gibt überall Spätentwickler.«
    »Machen wir uns nichts vor, Ric.« Sie stützte sich auf einen Ellbogen und beugte sich über ihn. Ihre schönen, festen Brüste drückten mit den Spitzen gegen seine Brusthaare. Das Morgenrot, kitschig, wenn es in dieser Phase jemand malen würde, färbte ihre Leiber mit einem eigentümlichen Goldorangeton. »Du hast vorhin geschlafen.«
    »Wirklich?« Er lachte mit einem gutturalen, zufriedenen Unterton. »Das wäre mir früher nie passiert. Ich habe aber auch noch nie einen Eisberg geschmolzen. Ist eigentlich niemand da, der meine Leistung bewundert?«
    »Ich bewundere dich rückhaltlos, Ric. Du bist ein Phänomen! Der Held aller Helden. Der wiedererstandene Herakles. Aber du hast geschlafen. Genau eine Stunde.«
    »Ich habe einen Wecker in der siebenundzwanzigsten Hirnwindung.«
    »Und während du geschlafen hast, hatte ich Zeit, nachzudenken.«
    »Das ist schlecht. Es ist immer schlecht, wenn Frauen an der Seite eines schlafenden Mannes Zeit haben zum Nachdenken. Meistens sind es zerstörerische Gedanken. Weiß der Teufel, warum.«
    »Ich habe gedacht: Da liegt er nun, mein zweiter Mann. Der erste war ein Schwein, ein geiler, kleiner, emsiger Bock, der sein Lehrmädchen von hinten besprang, wie es Tiere eben tun. Der zweite ist ein Kerl vom amerikanischen Geheimdienst, dessen Bett die ganze Welt ist. Warum gerate ich an solche Männer? Laufen nicht Millionen von vernünftigen Männern herum? Aber ich gerate an die Extreme. Den einen hätte ich täglich ermorden können – und einmal hätte ich es beinahe getan, mit der Papierschere, ich hatte sie schon in der Luft, um zuzustoßen –, den

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