Die Druidengöttin
Schönes zu denken. An ihre geliebten Wälder im Frühlingskleid, die Geburt ihrer Tochter, das umwerfende Lächeln ihres Mannes.
Plötzlich packte sie jemand von hinten und hielt ihr den Mund zu. »Ich bin‘s, Henry«, flüsterte eine bekannte Stimme. Als sie sich entspannte, ließ Henry sie los.
Keely sprang hoch und wandte sich ihm zu. »Der Göttin sei Dank«, rief sie. »Aber wie bist du hierhergekommen?«
»Auf den Schwingen brüderlicher Liebe«, lachte er verschmitzt.
Keely hob eine Augenbraue.
»Odo und Hew warten unten«, erklärte ihr Henry und deutete auf das offene Fenster.
Keely folgte seinem Blick und sah das Seil, das vor dem Fenster baumelte. »Ist es sicher?«
»Sicherheit ist so eine Sache«, antwortete Henry. »Wäre es dir lieber, in Gesellschaft des Barons zu bleiben?«
»Nein.« Keely hob ihren Beutel auf und eilte ans Fenster.
Henry faßte nach dem Seil.
»Warte.« Keely legte den Kopf zu Seite wie ein Reh, das eine Gefahr wittert.
Draußen auf dem Gang näherten sich laute Schritte.
»Unters Bett«, flüsterte Keely und schloß die Läden, um das Seil zu verbergen.
Während ihr Bruder unter das Bett kroch, schlich Keely auf Zehenspitzen zu dem Sessel vor dem Feuer. Ihr Herz schlug wie wild, aber sie zwang sich, gelassen dreinzublikken. Als die Schlüssel klirrten und die Tür aufgesperrt wurde, mußte Keely an sich halten, daß sie sich nicht umdrehte und sich vergewisserte, ob Henry gut versteckt war. Sie gewann diese Schlacht, allerdings um den Preis ihrer mühsam aufgesetzten Gelassenheit. Sie zitterte, und ihr Magen revoltierte erneut.
Langsam ging die Tür auf. Der Baron kam zu ihr, eine Schüssel Wasser in Händen.
Willis setzte die Schüssel auf dem Tisch ab und befahl ihr: »Halte die Finger hinein.«
Keely tauchte ihre Hand in das Wasser. Allmählich ließ der pochende Schmerz nach. Unter langen Wimpern hervor warf sie einen Blick auf ihren Gefängniswärter.
Willis legte eine dicke Scheibe Käse auf ein Stück Brot und reichte es ihr. »Eßt dies, oder ich zwinge Euch dazu.«
Keely tat wie geheißen.
Der Baron nahm ihre Hand und untersuchte die Finger. »Haltet die Hand hoch«, befahl er ihr und begann, ihre Brandwunden mit den Leinenstreifen zu verbinden, die über seinem Unterarm hingen.
»Warum tut Ihr das?« fragte ihn Keely, als hoffe sie, seine Reue könne ihn retten. Schließlich stand der Mann an der Schwelle des Todes, und wenn er nicht bereute, würde er für seine Missetaten ewig in der Hölle schmoren.
»Ihr seid nichts wert, wenn Ihr krank werdet und sterbt«, erklärte ihr Willis kalt, bevor er das Zimmer verließ und die Tür hinter sich zusperrte.
Keely saß mucksmäuschenstill und lauschte den Schritten des Barons, der den Gang entlang ging. Als es sicher schien, sprang sie aus ihrem Sessel und lief zum Fenster.
Henry kroch unter dem Bett hervor. »Was ist mit deiner Hand los?« fragte er, den Blick auf ihren Verband geheftet.
»Ich habe mir die Finger verbrannt.«
»Wie ist das passiert?«
»Ich habe sie ins Feuer gehalten.«
»Aber warum?« Henry starrte sie entsetzt an.
Keely schwor sich, ihrem ritterlichen jungen Bruder niemals die Wahrheit zu verraten. Da ihr kein einleuchtender Grund einfiel, den sie hätte anführen können, nahm sie zu einer Gegenfrage Zuflucht.
»Ist das hier eine Plauderstunde?« schoß sie zurück. »Oder hattest du die Absicht, mich zu retten? Falls dies der Fall ist, sollten wir uns besser beeilen, denn der Baron kann jeden Augenblick zurückkommen.«
Henry warf ihr einen abschätzenden Blick zu, bevor er die Fensterläden öffnete. »Gib mir die Tasche«, bot er ihr an. »Ich trage sie.«
Keely reichte ihm die Tasche. Dann zögerte sie. Offensichtlich hatte sie entsetzliche Angst.
»Es ist genauso wie damals, als du von der Eibe des Grafen gesprungen bist«, versuchte Henry ihr Mut zu machen und gab ihr das Seil. »Halte das Seil fest und bleib mit den Füßen an der Mauer, damit du die Balance nicht verlierst. Schrei nicht, wenn du ausrutschst. Odo und Hew fangen dich auf.«
»Das ist leichter gesagt als getan«, entgegnete Keely.
Henry half ihr auf das Sims und hielt sie fest, bis sie in der richtigen Position war, um sich abzuseilen. Beinahe hätte er über das entsetzte Gesicht laut losgelacht, das sie machte, während sie sich langsam nach unten zu ihren mit offenen Armen wartenden Cousins tastete. Dann folgte er ihr.
»Ist alles in Ordnung, kleines Mädchen?« flüsterte Odo und nahm sie in die
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