Die Druidengöttin
Traum vom Reichtum ging in Rauch auf.
Keely hielt ihre verbrannte Hand an die Brust und rannte zum offenen Fenster. Mit aller Kraft rief sie: »Hilfe, helft mir!«
Willis war nur einen Schritt hinter ihr und schlug sie hart. Er packte sie an den Armen und schüttelte sie heftig.
»Mein Baby«, rief Keely.
Einen wütenden Fluch auf den Lippen, stieß Willis sie von sich. Keely sank auf die Knie. Während sie mit der verbrannten Hand ihren Bauch umklammerte, hielt sie sich mit der anderen Hand am Fenstersims fest.
»Das ändert nichts«, knurrte Willis und starrte sie finster an. »Richard ist tot oder wird es bald sein. Ihr werdet Eure legitime Abstammung einklagen, sobald wir verheiratet sind, und Euer Vater wird Euch keinen Stein in den Weg legen.«
Willis kniete sich neben sie. Er packte sie am Hals und zog ihr Gesicht an seines. »Ihr tut, was ich sage, oder dieser Fratz, den Ihr unter dem Herzen tragt, dient den Würmern als Nahrung. Habe ich mich klar genug ausgedrückt? Habe ich das?«
Keely brachte kein Wort über die Lippen, sie konnte nur nicken.
Willis ließ sie los und stand auf. Er musterte sie eindringlich. Schließlich verließ er das Zimmer und verschloß die Tür hinter sich.
»Mutter, hilf mir!« stöhnte Keely und berührte ihren Drachenanhänger.
Sie blickte auf ihre verletzte Hand, und beim Anblick ihres verbrannten Fleisches mußte sie würgen. Langsam fand sie ihre Fassung wieder und setzte sich in den Sessel vor dem offenen Kamin.
Ihre vor Schmerz pochenden Fingerspitzen taten ihr weniger weh als das Herz, das ihr vor Kummer zu zerspringen drohte. Würde ihr Mann den Tod finden? Würde das Leben ihres Bruders zerstört werden? Ohne ihre Mithilfe würde der Plan des Barons sich ebenso in Rauch auflösen, wie es der Beweis ihrer ehelichen Geburt getan hatte. Wenn sie sich umbrachte, hatte ihr Bruder eine Zukunft, und ihr Mann – falls er noch lebte – würde ein Frau finden, die besser zu ihm paßte.
Doch Keely konnte es nicht tun. Vom Fenster in den Tod zu springen würde auch bedeuten, ihr unschuldiges Baby zu töten.
Und dann fiel Keely wieder das Versprechen der Göttin ein: Eines Tages, wenn der blaue Mond am Himmel steht. Für immer, wenn Liebende über das Feuer springen.
Der rothaarige Kesselflicker aus ihrer Vision würde den schwarzen Drachen töten ...
Westlich der Smythe Priorei wuchs eine dichte Hecke zwischen dem Haus und den Wäldern ringsum. Hinter diesen Sträuchern hielten sich drei Gestalten verborgen und starrten hinauf zum Fenster im ersten Stock, wo der Baron Keely gefangenhielt.
»Er hat sie geschlagen!« flüsterte Henry und sprang hoch.
Zwei Paar kräftige Hände zogen ihn links und rechts wieder auf den Boden.
»Willst du sterben?« zischelte ihn Odo wütend an.
»Niemand schlägt meine Schwester und überlebt es«, verkündete Henry mit der Entschiedenheit, wie sie nur einem heranwachsenden Marquis zu Gebote steht.
»Der Baron hat sie geschlagen, und dafür soll er sterben«, stimmte Hew dem Jungen zu. »Ich hab es auch gesehen.«
»Bin ich denn blind?« fuhr Odo ihn an und langte um den jungen Marquis herum, um seinem Bruder einen Klaps zu versetzen. »Smythe wird dafür büßen, daß er Hand an unser kleines Mädchen gelegt hat, aber wir dürfen nichts übereilen. Sie muß zuerst in Sicherheit sein.«
»Wie bekommen wir sie da raus?« fragte Henry.
»Mylord, Ihr werdet bald ein Held sein«, erklärte ihm Odo. »Hew steigt auf meine Schultern, und Ihr klettert dann auf ihn und zieht Euch hoch aufs Dach und ...«
»Das ist unmöglich«, warf Henry ein. »Ich kann nicht so hoch langen.«
»Dann wird Hew dir einen Schubs geben. Wir fangen dich auf, wenn du das Gleichgewicht verlierst, nicht wahr, Bruder?«
Hew nickte.
»Binde das Seil um den Kamin, der dem Zimmer am nächsten ist. Mache den Knoten so fest es geht, bevor du dich zu ihrem Fenster abseilst«, wies Odo den Jungen an. »Wir holen sie aus dem Fenster. Und ohne daß der Baron auch nur das Geringste merkt, sind wir auf und davon.«
Henry blickte hinüber zu der Priorei und lächelte. »Ich bin dabei.«
»Wenn du drinnen bist, darfst du sie auf keinen Fall erschrecken«, fügte Odo hinzu.
»Sonst schreit sie«, warnte Hew ihn.
Inzwischen saß Keely in dem Sessel vor dem offenen Kamin. Die verbrannten Finger und ihr Kummer waren zuviel; Tränen flossen ihr über die Wangen, und ihr Magen revoltierte. Um sich wieder zu beruhigen, schloß Keely die Augen und versuchte, an etwas
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