Die Druidengöttin
Jungen an. »Verstehst du?«
Roger nickte. »Wie gedenkt Ihr den Baron zu töten?« fragte er aufgeregt.
»Sehr langsam«, antwortete Richard. »Und mit großem Vergnügen.«
Der Graf von Basildon, der Herzog von Ludlow und der Page der Königin stiegen auf ihre Pferde und ritten nach Westen, nach Shropshire.
Neunzehntes Kapitel
Wo, im Namen der Muttergöttin, ist Richard? fragte sich Keely, während sie aus dem Fenster im ersten Stock der Smythe Priorei blickte. Die untergehende Sonne hatte den westlichen Horizont in ein Flammenmeer getaucht, doch Keely schenkte diesem herrlichen Schauspiel keine Beachtung.
Ihr Ehemann war verschwunden.
So schnell, wie man auf dem Fluß vorankam, hätte Richard schon längst hier sein und auf sie warten müssen. War er vom Cradle-Turm in den Tod gestürzt? Nein – sie hätte es gespürt, wenn er zum Großen Abenteuer angetreten wäre. Oder war er gefangen und wieder in den Tower gesperrt worden? Nur die große Muttergöttin kannte die Antwort.
Keely holte aus ihrer Tasche den Stoffbeutel und leerte die Steine aus. Sie wählte einen weißen Achat, um ihr spirituell den Weg zu weisen, und acht violette Berylle, um Unglück zu verhindern. Dann zog sie ihre goldene Sichel aus der Tasche.
Damit ging sie in die Mitte des Raums und legte einen Kreis. Nur einen Achat, einen Beryll und die goldene Sichel behielt sie in der Hand. Sie betrat den Kreis von Westen, schloß ihn mit dem letzten Beryll und sprach die Worte: »Störende Gedanken bleiben draußen.«
Daraufhin umrundete sie den Kreis im Uhrzeigersinn und schloß ihn mit der goldenen Sichel. Dann ging sie in die Mitte des Kreises und sank auf die Knie, die Augen nach Westen gerichtet.
»Die Alten sind hier, sie warten ab und sehen zu«, flüsterte Keely, die Hand am Drachenanhänger, der die Liebe ihrer Mutter barg. »Geist, der mich auf meiner Reise geleitet, hilf mir, die Sprache der Bäume zu verstehen. Geist meiner Ahnen, hilf mir, die Sprache des Windes zu verstehen. Geist meines Stammes, hilf mir, die Sprache der Wolken zu verstehen. Öffnet mein Herz, damit ich über den Horizont hinaussehe.«
Lange Zeit geschah nichts, doch plötzlich tauchten Bilder vor ihrem geistigen Auge auf ...
Brodelnde Nebelschwaden, die den Blick auf einen Zauberkreis freigaben ... Ein rothaariger Kesselflicker, das Symbol eines Weißmagiers, der in einen tödlichen Kampf mit einen schwarzen Drachen, das Symbol des Bösen, verstrickt war ... Und plötzlich hob der Kesselflicker sein Schwert und tötete – gegen alle Wahrscheinlichkeit – den Drachen und damit das Böse ... Langsam drehte sich der Kesselflicker um und rief: »Keely, wo bist du?«
Das Bild löste sich auf und machte der Wirklichkeit Platz. Tatsächlich war eine Stimme zu hören, die rief: »Keely? Seid Ihr krank?«
Keely blickte über die Schulter und war einen kurzen Augenblick lang verwirrt, den Baron dort zu sehen. »Bleibt, wo Ihr seid«, befahl sie und hob warnend die Hand. »Es ist verboten, den Bannkreis zu brechen.«
Willis Smythe sah sie fragend an und stellte ein Tablett mit dem Abendessen auf einen Tisch nahe am Kamin. Mit vor der Brust verschränkten Armen beobachtete er sie.
Keely flüsterte der Göttin ihren Dank und hob den Bannkreis auf. Sie versuchte es möglichst lange hinauszuschieben, den Baron anzusehen, deshalb ließ sie sich Zeit mit dem Einsammeln der Steine.
Schließlich ließ es sich nicht länger vermeiden. Nervös lächelnd wandte sich Keely dem Baron zu. Die schwarze Wolke über seinem Haupt schien unheilvoller als je zuvor. In der Priorei lauerte der Tod und wartete auf den Augenblick, da er hervortreten und einfordern konnte, was ihm zustand.
»Was tatet Ihr da?« fragte Willis.
»Ich betete für die sichere Ankunft meines Gatten«, antwortete Keely.
»In einem Steinkreis? Seid Ihr eine Hexe?«
»So etwas Ähnliches«, entgegnete Keely mit einem zweideutigen Lächeln. Noch so ein Einfaltspinsel, dachte sie, der oberflächlich vor sich hin lebt, ohne die geringste Ahnung von der Welt der Spiritualität. Bei den heiligen Steinen, England war voll von diesen Hohlköpfen!
Willis erwiderte ihr Lächeln. Sie ist genauso dumm wie ihre Schwester, dachte er. Es würde ein leichtes sein, ihr seinen Willen aufzuzwingen.
Der Baron trat ans Fenster und schaute hinauf zum Nachthimmel. Sein Blick blieb an den altmodischen Fensterläden hängen. Er wandte sich um und meinte: »Ich sollte die Priorei modernisieren lassen. Eine meiner Töchter kann
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