Die Druidengöttin
Reich.«
Keely machte eine lange Pause, während der sie sich sammelte, so wie die Natur ruht, um ihre Kräfte zu sammeln. Sie fiel auf die Knie und erhob die Arme zum Gebet. Ohne laut zu werden, hob sie die Stimme. »Geist, der mich auf meiner Reise geleitet, hilf mir, die Sprache der Bäume zu verstehen. Geist meiner Ahnen, hilf mir, die Sprache des Windes zu verstehen. Geist meines Stammes, hilf mir, die Sprache der Wolken zu verstehen.« Ihre Arme sanken hernieder, sie schloß die Augen und flüsterte: »Die Seelen, die mir wohlgesinnt sind, mögen in diesen Kreis treten. Öffnet mein Herz, damit ich über den Horizont hinaussehe.«
Die Zeit schien stehenzubleiben. Und dann geschah es, vor ihrem geistigen Auge tauchte ein Bild auf ...
Das Gesicht einer Frau ... Warme, graue Augen, die vor Liebe schier Überflossen ... ein gelassenes Lächeln ... Megan.
»Mutter, ich vermisse dich schrecklich«, stöhnte Keely.
»Schenke dem König mit der Flammenkrone dein Vertrauen«, verkündete Megan ihr.
»Ist das der Graf?«
Megan lächelte. »Sieh, wer hier bei mir ist.« Das Gesicht eines hübschen Babys erschien, die Augen forschend auf Keely gerichtet.
»Das ist meine Enkeltochter, Blythe.«
»Blythe ist meine Tochter?«
Megan nickte. »Hier sind noch andere, die von dir geboren werden. Aber Blythe ist die erste.«
Keely lächelte. »Viele andere?«
»Hüte dich vor dem dunklen Schmied«, warnte Megan sie. »Er trachtet dem König nach dem Leben.«
»Wie lautet sein Name, Mutter?«
Megan hob den Kopf und blickte in die Ferne, als fühle sie eine Gefahr, die sich ihnen nähert. »Uns bleibt nicht viel Zeit. Nächstes Jahr an Samhuinn ...«
Während Keely mit dem Geist ihrer Mutter sprach, war Richard heimlich in den Garten geschlüpft und hatte sich an ihre Cousins herangestohlen. Als die beiden ihn verblüfft entdeckten, nickte er zunächst Odo und anschließend Hew zu, wobei er sich angesichts ihres dämlichen Gesichtsausdruckes zusammenreißen mußte, um nicht laut loszulachen.
»Ich kam, um sie zu beschützen«, flüsterte Richard. »Was macht sie da?«
»Sie spricht mit ihrer Mutter«, antwortete Odo, als handle es sich um das Selbstverständlichste auf der Welt.
Richard sah nur Keely. Er musterte Hew aus den Augenwinkeln. »Siehst du jemanden?«
Hew nickte und flüsterte zurück: »Ich sehe Keely, Ihr etwa nicht?«
Richards Mundwinkel zuckten. »Ich meinte, außer Keely?«
Hew schüttelte den Kopf.
Richard wandte sich an Odo. »Kannst du irgendwo ihre Mutter entdecken?«
»Natürlich nicht«, antwortete Odo. »Ich bin ein Ungläubiger. Nur Gläubige können über den Horizont hinausblicken.«
»Du glaubst also, daß Keely ihre Mutter sieht?« fragte Richard.
»Ja.«
»Aber warum?«
»Habt Ihr denn keinen Glauben, Mylord?« fragte Hew ihn.
»Es ist das gleiche wie bei der Wandlung in der Kirche, wenn der Priester die Oblate und den Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt«, erklärte ihm Odo.
Richard nickte und wandte sich wieder seiner Verlobten zu, die vor drei Bäumen kniete und mit jemandem redete, der nicht da war. Plötzlich nahm Richard aus den Augenwinkeln eine dunkle Gestalt wahr, die über die Wiese auf Keely zurannte. Er wollte eben nach vorne hechten, um den unbekannten Störenfried aufzuhalten, hielt aber verdutzt inne, als er sah, um wen es sich handelte.
»Verzeih mir bitte, Megan«, rief Herzog Robert, als er in den Bannkreis stürmte. »Ich liebte dich mehr als mein Leben.«
Keely wirbelte herum und schrie: »Es ist verboten, den Bannkreis zu durchbrechen!«
Zu spät.
In diesem verzweifelten Versuch, zu seiner vor langem verlorenen großen Liebe zu gelangen, durchbrach Herzog Robert den unsichtbaren Bannkreis. Keely wollte sich wieder ihrer Mutter zuwenden, aber Megans Geist war verschwunden, als wäre er nie dagewesen.
»Mutter, komm zurück!« rief Keely und sank in sich zusammen. Ihr verzweifeltes Schluchzen durchbrach die Stille der Nacht.
Richard rannte über die Wiese zu ihr. Er kniete sich neben sie ins Gras und zog sie in seine Arme, um sie zu trösten. »Alles wird wieder gut, Liebling. Ich verspreche dir, ich werde es wieder in Ordnung bringen. Nun hör auf zu weinen.«
»Ich habe Megan gesehen«, murmelte Herzog Robert wie in Trance. »Sie hat mir zugelächelt. Keely, sie verzeiht mir meinen tragischen Irrtum.«
Keely wandte sich in den Armen des Grafen zum Herzog um. Ihre Stimme triefte vor Verachtung. »Meine Mutter mag Euch verzeihen, Euer
Weitere Kostenlose Bücher