Die Druidengöttin
Gnaden, aber ich werde Euch nie vergeben. Es ist Eure Schuld, daß ich sie erneut verloren habe!«
Schluchzend verbarg sie das Gesicht an der Brust des Grafen. »Möge mir Gott verzeihen, ich hasse ihn.«
Herzog Robert streckte die Hand nach ihr aus, ließ sie jedoch wieder sinken. Tränen stiegen ihm in die veilchenblauen Augen, die so sehr denen seiner Tochter glichen. Zum ersten Mal in seinem Leben blickte der Herzog über seine eigenen Bedürfnisse hinaus und wurde sich der Lage seiner Tochter bewußt. Als er sie an der Brust des Grafen schluchzen sah, erkannte er, was er angerichtet hatte. Er hatte das Leben der Frau zerstört, die er liebte, und das Leben ihres einzigen Kindes. Vor allem das Leben ihres Kindes. Seine älteste Tochter, die Frucht seiner größten Liebe, hatte achtzehn Jahre lang mit der Schande leben müssen, ein Bastard zu sein. Ihr ganzes Leben lang. Während er am Hofe der Tudors getanzt und gefeiert und geflirtet hatte, mußte seine Tochter von jedermann die wüstesten Beschimpfungen ertragen. Und nun hatte er ihr auch noch, selbstsüchtig wie er war, die wenige gemeinsame Zeit mit ihrer Mutter gestohlen, die sie vom Augenblick ihrer Empfängnis an vollkommen und bedingungslos geliebt hatte. Wie konnte er es da wagen, Keely um ihr Vertrauen und ihre Liebe zu bitten?
Eine Geste von Richard genügte, und die Lloyd-Brüder halfen dem Grafen wieder auf die Beine. Die drei machten sich langsam auf den Weg zum Talbotschen Haus, doch ihre Stimmen waren noch lange zu vernehmen.
»Nun kommt schon, Euer Gnaden«, war Odo zu hören. »Morgen früh denken alle anders darüber.«
»Ist doch verständlich, daß sich die Kleine aufregt«, fügte Hew hinzu. »Sie weiß nicht, was sie sagt.«
»Da hat Hew ausnahmsweise recht«, meinte Odo. »Keely hat noch nie jemand gehaßt. Nicht einmal diesen Schweinekerl Madoc. Sie wird auch Euch nicht hassen, wenn sie morgen früh die Sonne aufgehen sieht.«
»Und wenn es regnet?« warf Hew ein.
»Du hirnverbrannter Idiot«, erwiderte Odo und versetzte seinem Bruder einen Klaps auf den Hinterkopf.
»Na ja, es könnte auch wolkenverhangen sein ...«
Richard nahm Keely in die Arme und trug sie über die Wiese zu seinem Haus. Von dem Lärm draußen wach geworden, standen mehrere seiner Gefolgsleute in ihrem Nachtgewand auf den Gängen und sahen ihren Herrn durchs Foyer kommen. Jennings folgte dem Grafen im Nachthemd die Treppe hinauf.
Als Richard den ersten Stock erreichte, stürzte Jennings herbei, um die Tür zum gräflichen Schlafzimmer aufzureißen. »Kann ich etwas für Eure Lordschaft oder die Dame tun?« fragte er.
»Sorgt dafür, daß wir nicht gestört werden.«
»Ja, Mylord.«
Die Tür fiel ins Schloß. Richard setzte Keely sachte auf dem Bett ab und legte sich neben sie, um sie zärtlich in die Arme zu nehmen und ihr sanft den Rücken zu streicheln. Ihr hemmungsloses Schluchzen rührte ihn zutiefst. Aber er wußte nicht, wie er sie trösten konnte. Bisher hatte er nur Frauen weinen sehen, die mit ihren Tränen ihre Schönheit unterstreichen und sein Herz gewinnen wollten.
»Mir fehlt meine Mutter«, schluchzte Keely.
»Du sagtest doch, Samhuinn dauere drei Tage«, erinnerte Richard sie. »Kannst du es nicht morgen nacht erneut versuchen? Ich schwöre dir, ich halte jeden Eindringling von deinem Kreis fern.«
Sie war so verblüfft über dieses Angebot, daß sie darüber ganz vergaß zu weinen. Mit tränenverschleierten veilchenblauen Augen blickte sie ihn an. »Das würdest du für mich tun?«
»Liebling, ich würde alles für dich tun«, versprach er ihr.
Keely berührte seine Wange. Ihre Lippen bebten, der ferne Abglanz eines Lächelns spielte über ihre Züge.
»Versprich mir, deinem Vater zu verzeihen.«
Das Lächeln verschwand aus Keelys Gesicht. »Ich habe keinen Vater.«
»O doch, du hast einen«, widersprach Richard. »Seine Gnaden liebt dich sehr. Ich konnte es in seinen Augen lesen.«
»Du verlangst zuviel«, antwortete Keely und wich seinem durchdringenden Blick aus. »Ich werde ihm nie vergeben können. Diese Nacht nicht und auch all die anderen endlosen Nächte der letzten achtzehn Jahre nicht.«
»Hör mir zu.« Richard berührte sie am Kinn und drehte ihren Kopf zu sich. Als sie den Blick hob und ihm in die Augen sah, fuhr er fort. »Du hast ein weiches Herz, Schatz. Wenn du die Liebe deines Vaters zurückweist, verletzt du dich damit ebensosehr, wie du ihn verletzt.«
Richard beugte sich über ihr Gesicht, und seine Lippen
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