Die duale Metropole
in einen Himmel, in dem die Aschekrone weiterhin wuchs, die Aschekrone über Terra ...
*
Rhodan musste an die Vision denken, von der sein Freund Reginald Bull ihm erzählt hatte. Der Verteidigungsminister hatte sie erlebt, als er über die Teletrans-Weiche ins unfassbar weit entfernte Stardust-System geflogen war. Die Superintelligenz ES hatte sie ihm eingegeben, und er hatte darin gesehen, wie das Sonnensystem und die Erde von den Truppen der Terminalen Kolonne TRAITOR vernichtet worden waren.
ES hatte mit dieser Vision etwas bezweckt. Bully überzeugen wollen, dass es besser war, sich nicht gegen die Auswanderung eines Teils der Menschheit ins Stardust-System zu stellen.
KOLTOROC bezweckte mit dieser Vision auch etwas.
Rhodan schüttelte sich, versuchte zu verarbeiten, was er da gerade gesehen hatte.
Die Manipulation war gekonnt eingefädelt. Gesil, die zweite Inkarnation der Kosmokratin Vishna ... und später seine Ehefrau. Hismoom, der Kosmokrat, mit dem er im Mai 1291 NGZ den Vertrag von DaGlausch ausgehandelt hatte und der später die Superintelligenz THOREGON und damit auch die Brücke in die Unendlichkeit vernichtet hatte.
Und dann KOLTOROC, ebenfalls eine Superintelligenz, aber eine im Dienst der Chaotarchen. Und sie alle nahmen die Vernichtung der Erde hin; keinem von ihnen schien sie etwas zu bedeuten.
Die Botschaft war vielschichtig und auf verschiedene Weise interpretierbar.
»Psychologische Kriegführung«, sagte er trotzdem. »Aber was genau will
KOLTOROC uns sagen?«
Mondra Diamond zuckte die Achseln. »Dass es ein Fehler war, uns von den Hohen Mächten abzuwenden? Dass die Kosmokraten genauso schlecht und rücksichtslos sind wie die Chaotarchen?«
»Die Frage muss doch lauten, warum KOLTOROC euch gerade diese Vision gezeigt hat«, warf Inkadye ein. »Denk darüber nach, was die Superintelligenz damit bezweckt.«
»Sie will uns unter Druck setzen. Sie droht uns mit der Vernichtung unseres Heimatplaneten. Wie diese Welt im Spiegel vernichtet wurde, weil die Menschen sich von ihren Göttern abgewandt haben. Nur, dass diese Götter Kosmokraten und Chaotarchen waren.«
Inkadye schwieg.
»Hält KOLTOROC sich in seinem Größenwahn für einen Gott?«, fragte Rhodan.
»Das glaube ich nicht«, erwiderte die Sorgorin. »Er ist von sich eingenommen, aber einem Größenwahn unterliegt er nicht. Wobei es vielleicht auch nicht ganz angemessen ist, diesen Begriff bei einer Superintelligenz zu benutzen.«
Rhodan begriff, was sie meinte. Wie sollte man bei der Macht, über die solch eine Entität verfügte, feststellen, was bei ihr megalomanisch war und was nicht? Wollte man KOLTOROC etwa vorwerfen, dass er sich für eine wichtige Persönlichkeit hielt?
Der String-Legat drehte sich um und ging voran, und Rhodan und die beiden anderen folgten ihm durch den Gang des Termitenbaus zum nächsten Antigravschacht.
*
Er führte, der Zeitspanne nach zu schließen, die sie in dem schwerelosen Feld verbrachten, nicht nur ein Stockwerk höher, sondern direkt in die oberste Etage der Gondel. Rhodan trat weder in die technische Umgebung einer Kommunikationszentrale noch in die bedrückende des Gangs eines unterirdischen Termitenbaus hinaus, sondern in einen weitläufigen Garten, der sich bis zum anderen Ende der Ebene erstreckte und einen Blick auf den freien Raum bot.
Rhodan blieb nach wenigen Schritten stehen und atmete tief durch. Da auch an diesem Ort künstliche Schwerkraft herrschte, hatte es den Anschein, als kreise die gesamte Duale Metropole rings um den Garten und die Stadt und der Planet wiederum mit völlig anderen Parametern auf versetzten Ebenen.
Er fühlte sich ein wenig an die Negane Stadt erinnert. Auch dort hatte er sich direkt unter anderen gewaltigen Objekten befunden, die wenige hundert Meter über ihm schwebten, und im ersten Augenblick den Eindruck gehabt, der Himmel könne ihm mit allem, was er enthielt, buchstäblich auf den Kopf stürzen. Offensichtlich hatte KOLTOROC ein Faible für eine solche Anordnung von Himmelskörpern zu Städten.
Das Gefühl der Desorientierung und Haltlosigkeit wich nach ein paar Sekunden wieder. Rhodan ließ den Blick über die Gartenlandschaft schweifen. Sie kam ihm ein wenig surreal vor. Hier sah er ordentlich angelegte Beete von großen, prachtvollen Blumen, die einen fast unangenehm süßlichen Duft ausströmten, dort, zehn Meter weiter, ein dichtes Unterholz, das anscheinend noch nie mit der Hand eines Gärtners in Berührung gekommen war.
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