Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden
Verhalten und Solidarität zu lernen. »Erwerb von Sozial- und Selbstkompetenz« heißt das in Pädagogikkreisen.
Einer Familie schreibe ich nach der Fahrt, was für ein Lichtblick ihr Sohn Matthias ist. Er hat vier Geschwister, aber keinen eigenen Fernseher. Die Eltern unternehmen viel mit ihren Kindern. Matthias ist bei der Freiwilligen Feuerwehr und im Ruderverein. Er packt an, wenn es nötig ist, geht mit anderen höflich um, sagt aber auch mal ein deutliches Wort. Fernsehsendungen mit Dieter Bohlen oder Heidi Klum sind ihm unbekannt, dafür kennt er Tiere, Pflanzen und begeistert sich für Technik.
PS: Und dann habe ich es doch wieder getan. Ein Jahr später waren wir mit unserer Klasse in einem englischen Sprachcamp in Thüringen. Und im nächsten Jahr fahren wir in die Türkei. Mittlerweile wissen unsere Schüler, dass wir Lehrer unsere Regeln ernst meinen und alle viel bessere Laune haben, wenn die Regeln eingehalten werden…
Klassenfahrten sind toll!
D ie Eltern meiner Schüler haben es endlich begriffen und wünschen mir vor der Klassenfahrt in die Türkei keinen »schönen Urlaub« und keine »gute Erholung« mehr, sondern eine konfliktfreie Zeit und sonniges Wetter. Zumindest die drei Eltern, die uns am Flughafen begrüßen. Die anderen zehn Eltern kennen uns Lehrer nicht (mehr) und bleiben mit ihren Kindern in gebührendem Abstand stehen. Sie begrüßen uns auch nicht, als wir nach zehn Tagen morgens um 6.00 Uhr zurückkommen. Aber ihre Kinder haben bei mir in den letzten vier Jahren immerhin gelernt, kontextbezogen »guten Tag«, »bitte« und »danke« zu sagen.
Am Flugschalter möchten wir als Gruppe abgefertigt werden. Das bringt einige Wartende zum Giften. Wahrscheinlich gehen jetzt die letzten Sitzplätze weg und sie müssen im Stehen fliegen. Mein Kollege bietet ihnen freundlich an, sich zwischen unsere Schüler zu setzen. Das wollen sie aber auch nicht. Die meisten Passagiere sehen todunglücklich aus, als wir im Flugzeug ganz nach hinten durchgehen. Genau wie die Hotelgäste, die uns angstvoll beobachten, als wir in Alanya aus dem Bus steigen. Eine Schulklasse, Gott steh uns bei! Lauter Halbstarke. Das verspricht Lärm bis zum frühen Morgen, Partys, Alkoholexzesse, Streitereien, wenn nicht gar Schlägereien.
Gleich in der ersten Nacht beschweren sich sensible Gäste über meine Jungs aus Zimmer 109. Aber wie sichherausstellt, stammt das nächtliche Gegröle nicht von meinen Schülern, sondern von den Erwachsenen im nahen Foyer, die sich tapfer dem alkoholischen »All-inclusive-Angebot« stellen. Glücklicherweise schließt die Bar um 24 Uhr. Auch sind es nicht meine Schüler, die um vier Uhr morgens lautstark fernsehen, sondern die seltsame englische Lady und ihr bierbäuchiger Lover, die von früh bis spät durchs Hotel lallen und stolpern. Die beiden haben vermutlich kein einziges Mal das Meer gesehen. Meine Schüler versuchen freundlich, auf die stammelnde Lady einzugehen, bis ich ihnen sage, dass das Kommunikationsproblem nicht an ihren Englischkenntnissen liegt.
Gleich am ersten Abend schickt uns der Hotelmanager in einen entlegenen Speisesaal. Wahrscheinlich hat er Angst, dass wir anderen Gästen auf den Teller spucken. Allerdings ist das Buffet weit entfernt, und wenn meine Schüler dort ankommen, haben die Erwachsenen die leckersten Sachen bereits abgeräumt. Stapelweise Hühnchen und Schokoladentorte. Selbst, wenn die Teller dann halbvoll stehen bleiben. Hauptsache, kein anderer bekommt was ab! Salat und Gemüse sind gesund, tröste ich die lieben Kleinen, die enttäuscht in den übrigen Schüsseln suchen.
Die Akustik im Hotel ist vorzüglich. Man hört die Zimmernachbarn gurgeln und schnarchen, und eines Morgens werde ich von lauten Juchzern geweckt. Ich eile besorgt zum Pool. Im strahlenden Sonnenschein schubsen sich meine Schüler ins Wasser und fabrizieren gruppenweise »Arschbomben«. Das ganze Hotel siehtdem spannenden Schauspiel zu. Niemand meckert! Ein Herr reiferen Alters ist richtig gerührt. Er wohnt in Deutschland zwischen lauter älteren Menschen und hat lange keine jungen mehr erlebt. Er beschreibt uns, wo der schönste Strand der Gegend liegt, und ahnt nicht, dass er meine armen Schüler zu einem Zwölf-Kilometer-Marsch verurteilt.
Wir haben leider keinen Raum für uns allein, und so wird unser pädagogisches Animationsprogramm von den anderen Gästen interessiert verfolgt und kommentiert. Ich ärgere mich hinterher, dass wir nicht mit dem Klingelbeutel
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