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Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Titel: Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Frydrych
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und mir den ganzen Kram einfach ins Fach gelegt – zur Strafe, weil ich krank war. Aber oh Wunder! Ich sehe nur korrigierte Übungen. Manche sogar mit aufmunternden Kommentaren versehen: »Weiter so, Jakkeline!«
    Unsere Schulleiterin erscheint im Türrahmen. Weißes Leinen umspielt ihre Gestalt, die auffällig rot bemalten Lippen probieren ein falsches Lächeln: »Na, Frau Frydrych, auch mal wieder da? Sie schaffen es doch wohl bis Mittwoch, Ihren Klassenraum zu renovieren?!« Fragezeichen erscheinen auf meiner Stirn. »Meine Liebe, die Schulinspektion kommt in drei Tagen! Wir wollen beim weltweiten Potjomkin-Ranking nicht auf dem vorletzten Platz landen! – Im Souterrain finden Sie alles, was Sie zum Streichen brauchen!«
    So einfach ist die direktoriale Sicht der Welt. Bevor ich im muffigen Dunkel des Kellers Farbeimer und Pinsel sichte, muss ich über meine alte Gitarre, diverse Umzugskisten, alte Fernseher und Bücherstapel steigen. Hier unten stehen jetzt auch die grünlich-blassen Hydrokulturpflanzen, die im ganzen Gebäude durch Kübel mit Tulpen und Narzissen ersetzt worden sind.
    Im Musikraum neben meiner Klasse probt der Schulchor ein Lied mit dem hitverdächtigen Refrain: »Lernen undleben!« Hat unser Schulrat etwas Neues komponiert? Im Klassenraum sitzt mein Lieblingskollege, der im Laufe vieler Schuljahre einen gewissen Zynismus entwickelt hat. Er versucht, anhand seines Lehrerkalenders zu rekonstruieren, was er in den letzten Wochen im Unterricht gemacht haben könnte. »Schreibkonferenz zum Thema Tierschutz« notiert er mit Schönschrift in seinem leeren Kursbuch. Eine Methode, die er bisher begrinst hat. »Es ist nie zu spät dazuzulernen«, verkündet er, als er meine Irritation bemerkt. Doch keinerlei Ironie ist in seinen Augen zu erkennen.
    Neben ihm liegen Aufsätze unserer Klasse, die ich längst korrigiert und mit den Schülern besprochen habe. »Die musst du für unser gestiegenes Qualitätsprofil noch einmal gründlich durchgehen und professionelle Kommentare darunter schreiben. Die Schüler sollen doch in ihrer Selbstevaluation eindeutige Unterstützung erfahren. – Außerdem musst du noch im Instrumentenraum Staub wischen! Aber feucht!«, erklärt er.
    »Kennst du eigentlich Gogols Revisor?«, frage ich voller Unschuld.
    »Mit deinem ständigen Spott desavouierst du nur unsere Schulkultur!«, weist er mich zurecht. »Denk lieber mal über Methodenvielfalt in deinem Unterricht nach!«
    Ein Teil unserer Klasse entfernt gerade Aphorismen und Aktmalerei von den Tischen. Saskia und Philine versuchen, den schuleigenen Meerschweinchen die Zähnezu putzen. Die restlichen Schüler benoten derweil auf so einer Leck-mich-doch-Website die Lehrer der Anstalt (natürlich unter Aufsicht). Auf unserer schuleigenen Homepage blinkt und blitzt es vor lauter Links und animierten Männlein. Im Rahmen der Budgetierung hat die Schulleiterin zwei Computerexperten eingestellt. Alle halbwegs gelungenen Klimmzüge unserer Schüler stehen nun im weltweiten Netz. Vor allem aber die Kontakte mit unseren Partnerschulen in Ulan-Bator und Timbuktu. Und eine Lernplattform für den Ethikunterricht!
    In der Mensa will ich mir zum Trost einen starken Kaffee holen und finde nur noch Hagebuttentee, Bio-Äpfel und Vollkornbrötchen mit Hüttenkäse.
    Ich bin hier falsch. Eindeutig.

Ameisenhaufen
Schulinspektoren wirbeln Staub auf
    A ls hätte man mit einem Stock in einen Ameisenhaufen gepiekt! Eine ganze Schule gerät in kollektive Lehrprobenstimmung. Gestandene Kollegen fragen ihre Fachbereichsleiter: »Kann ich so was machen?« oder »Was ist eigentlich ein Portfolio?« Seit vier Monaten ist bekannt, dass die Inspektoren kommen. Ein stoischer Kollege erklärt, das sei in der freien Wirtschaft völlig normal. Wir sollten uns nicht so anstellen. Seine Frau arbeite in einem gigantischen Konzern und werde täglich kontrolliert. Er hat ja Recht, Schule ist auch nur ein Produktionsbetrieb mit Management, Bildungsressourcen, Kompetenzen, In- und Output. Der Humboldt’sche Bildungsbegriff ist so was von veraltet!
    Ich ertappe den Kollegen, als er nach der 9. Stunde stapelweise Materialien kopiert. Ich frage unschuldig: »Findest du Stationenlernen nicht doof?« Er wird ein wenig rot und behauptet, die Kopien seien für seine Tochter, die als Referendarin ständig Lernbuffets, Puzzles, Tandem-Arbeitsbögen und Fishbowls (hä?) vorbereiten muss. Frontalunterricht würde der pädagogische Nachwuchs gar nicht mehr beherrschen. »Was

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