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Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Titel: Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Frydrych
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mal Eltern oder Geschwister zuständig waren: Fahrradfahren. Eine ganze Drehung ohne umzufallen oder gegen eine Wand zu torkeln. Rückwärts laufen, Schnürsenkel binden, Nase putzen. Eine Schere, eine Gabel und einen Stift richtig halten. Er berichtet von einem Schüler, der in der Pause einen anderen anpinkelt. Und von einer Familienhelferin, die dazu meint: »Wir müssen uns fragen, was Malcolm damit zum Ausdruck bringen will!«
    In der Klasse meines Neffen sind fünf Kinder mit offiziell anerkanntem Förderbedarf. Und weitere zehn, die eine Anwartschaft auf diesen Status hätten, wenn ihre Eltern am selben Strang wie die Lehrer ziehen würden. Der Kollege, der zur Unterstützung für die Förderkinder eingesetzt ist, wird vom Schulleiter häufig zum Vertretungsunterricht geschickt. Mein Neffe googelt, beamt und white-boarded nur so. Er baut Lerninseln und installiert Lernlandschaften. Seine Schüler schwirren emsig von Lernangebot zu Lernangebot und holen sich, was sie gerade brauchen. So steht es zumindest in seinem Methodikbuch.
    Mein Neffe kopiert stapelweise fürs individuelle Lernen, bastelt Diktate, je nach Fehlerschwerpunkt der einzelnen Kinder. Hat im Lehrerzimmer 24 leere Keksdosen, für jeden Schüler eine. Bei der »Keksdosenmethode« bekommen die Kinder 20 laminierte Sätze. Jeder andere! Wenn sie einen fehlerfrei abschreiben können, werfen sie den Streifen in ihre Keksdose. Dieses Wegwerfen soll ungemein motivieren! Das ist nur eine der genialen Methoden, die mein Neffe beherrscht. Nebenbei schreibt er Förderpläne, Elternbriefe, Anträge für Klassenfahrten, Wandertage und Projekte. Rennt zu Fortbildungen auf der Suche nach dem ultimativen Ratgeber für Schüler wie Paul (11): »Nee, mach ick nich, schreib ich nich ab. Is mein Leben!« Mein Neffe ist verzweifelt, dass Berlin trotz all seiner Anstrengungen bei einem Leistungsvergleich der Viertklässler auf dem letzten Platz gelandet ist.
    »30-Stunden-Woche? Ein Lehrer???« Mein Neffe zeigt mir einen Vogel. »Dass ich nicht lache. Dieser Leserbrief bei ›Hart, aber fair‹ war fingiert. Von einem Neidbürger, vermutlich einem Landarzt, der immer noch an den tollen Lehrer-Halbtagsjob glaubt!«

Zum Knuddeln
Sympathische Kollegen
    E s ist komisch, diese Frau verfolgt mich! Sie verändert zwar bei jedem meiner Schulwechsel Haarfarbe und Kleidungsstil, verstellt die Stimme und trägt manchmal sogar eine Bauchattrappe, aber ich erkenne sie trotzdem immer: Frau Wichtig.
    Frau Wichtig ist die einzige Kollegin, die arbeitet! Darunter leidet sie natürlich. An ihren langen Schultagen kommt sie kaum dazu, was zu essen oder zu trinken, geschweige denn, auf die Toilette zu gehen. Das erwähnt sie gern, wenn man gerade in seine Wurstsemmel beißen will. Manche Kolleginnen bringen dann schnell einen Kaffee oder eine Geflügelbulette in ihr Büro. Mit schlechtem Gewissen, weil sie selber genug Muße hatten, dreimal aufs Klo zu gehen und darüber hinaus noch ihren Lebenspartner anzurufen. Frau Wichtig klagt: »Mein Mann hat mich seit Wochen kaum gesehen, so viel sitze ich in der Schule!« Wer weiß, der ist vielleicht ganz froh darüber?
    Frau Wichtig kennt keinen Zweifel. Nicht an ihren Vorgesetzten, nicht an »Innovationen« aus der Schuladministration und schon gar nicht an sich selbst. Unter einem großen Heiligenschein wandelt sie durch die Schule. Falsch, sie »wandelt« nicht. Sie schreitet mit Stechschritt durch die Flure. Man erkennt sie schon von weitem amKnallen der Absätze: krach, krach, krach. Die Schüler flüstern: »Achtung, Frau Wichtig kommt!« und rennen schnell weg.
    Manchmal nehme auch ich einen Umweg in Kauf, um ihr nicht zu begegnen. Sie kann nicht einfach freundlich grüßend ihres Weges ziehen, nein, sie muss jedes Mal stirnrunzelnd etwas anmahnen: »Denkst du bitte an das Protokoll der letzten Jahrgangssitzung?« – »Hast du schon die Zeugniskopien in die Schülerbogen geheftet?« – »Hast du dir auch die Hände gewaschen?« Da ich mir häufig die Hände wasche und jeden Tag Schülerbogen mit Aktennotizen fülle, stören mich überflüssige Mahnungen. Noch dazu, wenn sie mit schriller Diskantstimme vorgetragen werden. Dass es bei diesen Wortwechseln noch zu keinen Handgreiflichkeiten meinerseits gekommen ist, muss die Schulleitung bei der nächsten dienstlichen Beurteilung mal lobend erwähnen!
    Frau Wichtig müsste Ermäßigungsstunden für interkollegiale Kontrolle bekommen. Wenn die Stühle in ihrem Raum nicht in Reih und Glied

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