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Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Titel: Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Frydrych
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Beziehungen und Sympathien« oder »erinnern gern frühere Zeiten«. Werden Sie kreativ!Sprache ist lebendig. Was es heute noch nicht gibt, kann morgen schon Hohlsprech sein. Warum also nicht: »Ich interessiere Individualisierung und Binnendifferenzierung.«. »Ich schäme meine seltenen Fortbildungen.« »Er kümmert dieses Problem.« »Wir freuen das aktuelle PISA-Ergebnis.«
    Verwenden Sie keine nackten Nomen. Es heißt nicht »Lösungen, Hierarchien und Fragen«, sondern »intelligente Lösungen«, »flache Hierarchien« oder »sauber geklärte Fragen.« In jedem Ihrer Beiträge sollten mindestens einmal die Kernbegriffe Evaluation, Transparenz und Kompetenz vorkommen. Am besten in einem einzigen Satz. Verdeutlichen Sie Fremdwörter, um Ihrer Aussage Nachdruck zu verleihen: etwas wegtolerieren, umlegendieren, aufoktroyieren oder anplakatieren.
    Benutzen Sie Euphemismen! Schadenfreude heißt in Hohlsprech negative Empathie, Strafen sind aversive Reize, Schwänzer und Störer nennt man schulabstinente oder verhaltensoriginelle Jugendliche. Gehen Sie mit Inkompetenz frustdurabel um, bevor Sie geistige Insolvenz anmelden müssen. Umhüllen Sie Intelligenz-Allergiker mit zerebralen Flatulenzen. Kleine Kontrollfrage zwischendurch: Was ist ein habitativ benachteiligter Mitbürger?
    Als Anhänger deutschen Sprachtums müssen Sie übrigens nicht auf das Fremdwörterlexikon zurückgreifen. Es gibt genug Hohlsprechbegriffe in unserer Muttersprache: Selbstwirksamkeitserfahrung, Leuchttürme der Bildung,kräftige Seelennahrung, Arbeitsverdichtung, sich an einen Text anschmiegen und etwas verschriftlichen. Stellen Sie Probleme auf den Parkplatz, geben Sie ein gutes Gesamtpaket ab!
    Vielleicht halten Sie dieses kleine Kompetenztraining fälschlicherweise für eine Petitesse. Aber Sprache war schon immer Herrschaftsinstrument. Mit Hohlsprech illuminiert sich die moderne Führungselite. Werden Sie Teil dieser Elite! Nutzen Sie Hohlsprech!

Teufelszeug
Computer machen süchtig
    F ast bin ich im Olymp angekommen. Die Götter winken mir schon. Nur noch sieben Aufgaben von hundert, die ich erfüllen muss. Der Computer knattert und rasselt. Ganze Reihen von Amphoren und Perlen knallen auf dem Spielfeld nach unten. Blitze zucken, Goldtaler rollen. Eine sanfte, eintönige Melodie begleitet mein fieberhaftes Agieren mit den Computertasten. Meine Augen huschen über den Flachbildschirm. Reflexartig klicke ich auf gleiche Symbole und lasse sie explodieren. Jeder meiner Erfolge wird mit Feuerwerk und Triumphmusik gefeiert. Das Telefon ist abgestellt, Klausuren bleiben liegen. Mein Partner appelliert an meine Vernunft. Ich fauche ihn an. Er hat mir durch sein Gerede gerade die nächste Spielstufe versaut. Kaum bin ich daheim, muss ich »Cradle of Rome« einschalten. Sogar, wenn ich im Bett liege, spiele ich. Vor meinen geschlossenen Augen prasseln die Symbole weiter durcheinander und sinken zischend nach unten.
    Wie konnte es so weit kommen?
    Im Sommer fällt nicht nur meiner Sozialpädagogin auf, dass etliche Schüler bleich und käsig sind, wo doch draußen die Sonne scheint. Werden diese Jugendlichen im Keller gehalten? In Ethik sprechen wir über Sucht. Solange es um Essstörungen und Drogen geht, sind allesehr engagiert. Hinweise auf Computersucht und die Sogwirkung des Internets beantworten die Schüler allerdings mit leiser Renitenz. Sandra erklärt, dass von Sucht keine Rede sein könne, wenn man fünf Stunden täglich am Computer sitzt. Sie könnte jederzeit aufhören. Alle Jugendlichen würden am Computer spielen. Sogar Erwachsene und Lehrer. »Ich nicht!«, sage ich. »Da könnten Sie aber Ihr Reaktionsvermögen verbessern, das ist wie Hirn-Jogging.« Ein Blick und Sandra verstummt.

    Ein paar Tage später steht Assuans Vater vor der Klasse. Dass wir jetzt Unterricht haben, kümmert ihn nicht. Er packt mich verzweifelt am Arm. Sein Sohn sei fast rund um die Uhr mit dem Computer vernetzt. Er schießt, meuchelt und schlachtet. Er bombt und sprengt seineGegner in die Luft. Zu den Mahlzeiten erscheint Assuan nicht. Seine Mutter serviert ihm aufs Zimmer. Morgens ist er kaum aus dem Bett zu bekommen. Wenn man ihn vom Spielfeld trennt, weint er. Seine Finger und sein Rücken schmerzen. Ich verstehe nun, warum Assuan sich jeden Morgen verspätet und im Unterricht apathisch und depressiv wirkt.
    Im Internet stoße ich auf ein Jugendbuch mit lauter begeisterten Rezensionen. Ich bestelle »Erebos« und bin wider Willen fasziniert. Zum

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