Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Titel: Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Frydrych
Vom Netzwerk:
stehen, der Vorgänger seine drei Wörter nicht von der Tafel gewischt hat, ein zarter Bleistiftstrich einen Tisch verunziert, spürt sie die schuldigen Kollegen sofort auf und zerrt sie aus dem Unterricht. Sie führt ihnen alte Kaugummis, Kürbiskerne und Papierschnipsel auf dem Fußboden vor: »Was machst du bloß für einen Unterricht, wenn du so etwas nicht merkst!« Dem Kollegen, der auf dem Weg zur Aufsicht noch ein, zwei Konflikte verhindert hat, hält sie ihre Armbanduhr unter die Nase: »Wieso kommstdu so spät?« Mir springt sie auf meinem Gang in die Mensa drohend in den Weg: »Hast du hier etwa Aufsicht?« Nein, habe ich zum Glück nicht. Aufatmend lasse ich den Schwall der Vorwürfe hinter mir.
    Angeblich kontrolliert Frau Wichtig auch die Postfächer und Schülerbogen der Kollegen. Ob da alles ordentlich bearbeitet und dokumentiert wird. Aber das ist nur ein böses Mobbinggerücht. Als ich letztens das Lehrerzimmer betrat, ist sie sicher nur ganz zufällig von meinem Schreibtisch weggesprungen.
    Frau Wichtig erstattet täglich bei der Schulleitung Rapport. Dort spricht sie in mädchenhafter Scheu und Schüchternheit vor und setzt ihre Stechschritte ganz sanft und leise. Schulleiter finden vorauseilenden Gehorsam nützlich und schätzen es, wenn sie nicht jede Aufsicht und jedes Kursbuch selber kontrollieren müssen. Wenn sie alle Vergehen der Kollegen aufgezählt hat, beklagt Frau Wichtig ihre isolierte Stellung im Lehrerzimmer. Der Schulleiter wiegt besorgt den Kopf. Das geht natürlich nicht, dass so eine engagierte Kollegin gemobbt wird.
    Frau Wichtig bewirbt sich auf eine Rektorenstelle im Nachbarbezirk. Der Schulrat dort ist entzückt. Wir sind es auch.

Hohlsprech
Rhetorikkurs für Verantwortungsträger
    S ie haben nichts zu sagen, reden aber gern? Sie wollen, dass es gut klingt? Sie schätzen keine klaren Ansagen? Sie möchten Negatives positiv »rüberbringen«? Sie sind mit Leib und Seele Autokrat, aber dem Zuhörer soll das nicht auffallen?
    Es gibt eine Lösung: Hohlsprech. Eine Exzellenzvariante modernen Sprachhandelns. Damit wirken Sie multikompetent und polyfunktional. Sie beeindrucken Ihre Zuhörer und halten Sie von nervtötenden Einwänden ab. Hohlsprech ist gar nicht so schwer. Tägliche mentale Aktivierung, konzentriertes Zuhören auf überregionalen Konferenzen, häufiges Drehen an der »Phrasendreschmaschine« (im Buchhandel und im Internet zu erwerben) – zeitnah werden Sie über ein perfektes Instrumentarium verfügen: hochtrabende Worte ohne Substanz.
    Das erste Modul unserer Fortbildung: Form ist wichtiger als Inhalt. Blättern Sie doch mal im Fremdwörterlexikon. Notieren Sie Begriffe, die Sie noch nie gehört haben, auf Lernkärtchen. Manchmal sind auch philosophische Betrachtungen in der Tagespresse eine wahre Fundgrube. Flechten Sie Begriffe wie »Entitäten«, »Insubordination«, »subkutanes Epiphänomen« oder »attrahieren« zunächst im Privatgespräch ein, sozusagen als »Wortgeschenk«.

    »Bei den dominierenden männlich-homosozialen Kooptationsstrategien sehe ich da keine inhärente Perspektive.« Klingt gut, oder?
    Als zweiten Schritt präsentieren Sie Ihre Kenntnisse im pädagogischen Alltag: »Wir würden gern zusätzliche Ressourcen und Exzellenzprogramme generieren, allein, die restringierte Finanzsituation lässt das nicht zu.« – »Schüleraffine Zeitelastizität und Rhythmisierung sind leider noch Absenzen. Uns fehlt die personelle und materielle Unterfütterung.« – Ein Experte für Hohlsprech lässt »Kollegin Wohlbauer ihre Gravidität anzeigen.«
    Zweites Modul: Zentrale Bedeutung in Hohlsprech hat das Verb »kommunizieren«. Sie haben es vermutlich als intransitiv kennengelernt: »miteinander sprechen, sich verständigen«. Heute ist es ein transitives Verb und vermittelt hinter dem Schleier demokratischen Miteinanders konkrete Handlungsanweisungen: »Das muss wohl noch deutlicher kommuniziert werden!« Der Subordinierte fragt ängstlich: »Kann ich das so weiterkommunizieren?« Es ist generell effektiv, aus intransitiven Verben transitive zu machen. Das bringt den Sprecher in eine aktivere Rolle. Denken Sie an Beispiele aus der koitalen Praxis: »Ich vögel dich« klingt dynamischer und ichorientierter als »wir haben miteinander gevögelt«. Diese grammatische Variante kann beliebig erweitert werden. So sagt der Schulrat zufrieden: »Ich habe in den letzten Monaten zahlreiche Schulen hospitiert!« (sic!) – Andere Zeitgenossen »leben

Weitere Kostenlose Bücher