Die Duftnäherin
Helme von Minden vor, wie ich vom Ratsherrn Albrecht Schürer weiß, der diesen zunächst in sein Haus aufgenommen hatte. In letzter Zeit sah man meinen Bruder und ihn kaum je getrennt voneinander, wie mir von einigen zugetragen wurde. Er floh vor mir, als ich das Kontor meines Bruders betrat, wo er diesen kurz zuvor gemeuchelt hatte.«
Niemand wagte darauf noch etwas zu sagen. Viele der Ratsherren hatten Helme und Egidius in letzter Zeit zusammen gesehen und wussten genau, von wem Cornelius sprach. Es dauerte eine ganze Weile, bis Albrecht schließlich das Schweigen durchbrach.
»Und was hast du nun vor? Willst du Egidius etwa post mortem an den Pranger stellen?«
»Ich will aufdecken, was er getan hat.«
»Was ist mit seiner Witwe?«
»Mechthild? Sie hat nichts von seinen Machenschaften gewusst.«
»Trotzdem wird sie sich danach in Köln kaum noch auf die Straße trauen können. Man wird sie meiden.«
»Ich werde dafür sorgen, dass sie die notwendigen Mittel erhält, die Stadt zu verlassen, wenn sie es wünscht.«
Albrecht nickte. »Und du glaubst, dass die bloße Erklärung, Egidius habe hinter dem Ganzen gesteckt, ausreichend ist, um wieder Ruhe in die Stadt zu bringen?«
»Nein, das glaube ich nicht. Das kann nur der Anfang sein. Die Menschen müssen wieder spüren, dass sie Folgen zu erwarten haben, sobald sie die Hand gegen ihren Nachbarn erheben oder sonst ein Unrecht begehen. Deshalb schlage ich vor, dass wir eine Schrift aufsetzen und allerorts verlesen lassen. Eine Schrift, in der wir als Rat der Stadt Köln sämtlichen Bürgern mitteilen, was sie zu erwarten haben, sollte noch einer von ihnen sich über das Gesetz stellen.« Er holte tief Luft. »Wir fordern einen jeden, dem ein Unrecht geschieht oder der ein selbiges beobachtet, dazu auf, dem Rat unverzüglich Meldung davon zu machen. Wer das nicht tut, wird ebenso wie der Täter hart bestraft werden.«
»Aber wie willst du die Menschen dazu bringen, die Aufforderung zu befolgen?«
»Wir müssen die Anzahl der Büttel erhöhen.«
»Es gibt schon jetzt zu wenige Männer, die die obrigkeitsrechtlichen Belange der Stadt schützen. Woher willst du auf einmal so viele Büttel hernehmen?«
»Wir werden Männer anwerben, die wir vorübergehend mit den Befugnissen von Bütteln ausstatten. Außerdem erhalten sie Geld dafür, je mehr Taten sie anzeigen und unterbinden. Glaub mir, wenn plötzlich überall dazwischengeschlagen wird, sobald sich auch nur einer über das Gesetz erhebt, werden wir wieder Ruhe in die Stadt bekommen. Das ist der einzige Weg.«
Cornelius hatte damit gerechnet, dass die Männer, die unterschiedlicher Meinung waren, dies nun wie sonst auch öffentlich kundtun würden. Doch entweder waren sie zu erschöpft oder wussten selbst keinen besseren Rat. Das Gemurmel, das gleich nach seinem Vorschlag eingesetzt hatte, verstummte jedenfalls so rasch, dass es ihn überraschte.
»Dann lasst uns abstimmen!«, forderte er. »Wer ist dafür, dass wir das Schriftstück so aufsetzen lassen, wie ich es vorgeschlagen habe?«
Die Männer hoben ohne Ausnahme die Hand.
»Gut«, befand Cornelius. »Dann werde ich das Nötige veranlassen. Und ich werde mich selbst um die Auswahl der Büttel kümmern. Wir müssen endlich wieder auf die Straße gehen können, ohne befürchten zu müssen, dass uns wegen einer einzigen Münze der Schädel eingeschlagen wird.«
Mit diesen Worten verließ er den Saal.
Wie schnell die Maßnahmen griffen und die Welle der Gewalt spürbar verebbte, überraschte alle. Vor allem Helme, der sich tagelang wie im Rausch durch die Straßen Kölns bewegt und sich alles genommen hatte, wonach ihm gewesen war. Eigentlich hatte er direkt nach Egidius’ Tod aus der Stadt fliehen wollen, aber der dort herrschende Ausnahmezustand kam ihm sehr entgegen. Endlich konnte er sich völlig ungehemmt verhalten, wie es seiner Natur entsprach. Doch schon bald wäre es damit wieder vorbei. Diese verdammten Hilfsbüttel, erkannte Helme, die sich wegen jedem noch so geringen Vergehen auf einen stürzten und vor den Rat schleiften, lauerten an jeder Ecke. Und er konnte nicht riskieren, gefasst zu werden, wollte er dann nicht auch noch des Mordes an Egidius angeklagt werden. Auf seinen Kopf war vor zwei Tagen ein Preis ausgesetzt worden. Gleich nachdem öffentlich gemacht worden war, dass der Ratsherr Egidius Nürnberger wegen finanzieller Schwierigkeiten den Aufstand gegen die Juden herbeigeführt hatte, war auch sein eigener Name als dessen
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