Die Duftnäherin
kennenlernen.«
Gawin reichte ihm die Rechte. »Seid gegrüßt, Ratsherr.«
»Bitte, nenn mich Siegbert. Sonst ist das Ganze noch aberwitziger, als es ohnehin schon ist.« Er zögerte, trat einen Schritt zurück und musterte Gawin eingehend. »Wir kennen uns bereits, nicht wahr?«
Gawin nickte schüchtern, sagte jedoch nichts.
»Du bist der Lehrjunge des alten Jordan. Wir haben uns im Rathaus getroffen, als die neue Bestuhlung des Saals in Auftrag gegeben wurde. Es freut mich, dass du so eine ordentliche Anstellung gefunden hast.«
Gawin nahm es als Kompliment und lächelte.
»Hast du einen Moment Zeit für uns, oder warten deine Geschäfte auf dich?« Anna hakte sich bei ihrem Großvater unter.
»Der Handel kann ebenso warten wie der Rat, mein liebes Kind. Kann ich euch etwas anbieten?«
»Nun, so viel Zeit haben wir nun auch wieder nicht. Wir müssen schon bald wieder an unsere Arbeit zurück. Das Geld verdient sich schließlich nicht von selbst.«
»Noch nicht, Anna. Doch auch das wird kommen. Oder habt ihr etwa Sorgen?«
»Geldsorgen?« Sie lächelte gerührt. Siegbert verhielt sich genau, wie man es von einem Großvater erwartete. »Nein, wir haben keine Geldsorgen. Aber danke, dass du danach fragst.«
»Du weißt, Anna, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, solltest du in Schwierigkeiten geraten oder die Geschäfte nicht so gehen, wie du es dir wünschst!«
»Das weiß ich«, versicherte sie. »Doch deshalb sind wir nicht hier.« Es klang herzlich, und sie spürte, dass ihre Gefühle für den alten Herrn in der kurzen Zeit, die sie sich kannten, nicht nur aufrichtig, sondern auch stärker geworden waren.
»Ich wollte dir nur ein weiteres Kleid vorbeibringen, das ich gerade fertiggestellt habe, und dich bei dieser Gelegenheit auch mit Gawin bekannt machen.«
»Haben Sie ein Wort beim Bischof dafür eingelegt, dass er mir den Auftrag erteilt, eine Madonna zu fertigen?«
Die Frage brannte schon die ganze Zeit in Gawin, zumal er sich keinen Reim darauf machen konnte, wer sonst auf den Gedanken hätte kommen können, dass er dazu in der Lage war. Außerdem hatte Anna ihm ja erzählt, dass sie mit ihrem Großvater über seine Fähigkeiten gesprochen hatte.
Siegbert breitete die Arme aus. »Mein lieber Gawin, du solltest dir dringend angewöhnen, mich zu duzen. Wenn ihr euer kleines Schauspiel aufrechterhalten wollt, das dich zu meinem Enkelsohn macht, ist es nicht gerade sehr zweckdienlich, wenn du mich weiterhin mit Ratsherr von Goossen anredest.«
Gawin sah verschämt zu Boden. »Ist gut.«
»Es ist schon eine komische Sache, die da über uns drei hereingebrochen ist. Doch ich bin so froh, Anna, dich nach all den Jahren bei mir zu haben, dass du sogar noch fünf weitere Brüder haben könntest.«
Anna gab sein Lächeln zurück und versetzte Gawin einen Stoß. »Na los doch.«
Gawin sah auf. »Also, hast du den Bischof beauftragt?«
»Ja, in der Tat.« Siegbert klang zufrieden. »Anna hatte mir berichtet, was für ein Künstler in dir steckt. Und da dachte ich mir, diese Aufgabe würde dich mehr erfreuen, als immer nur Stühle und Bänke zu fertigen.«
»Dann danke ich Euch, ich meine dir, herzlich dafür. Doch ich kann die Madonna leider nicht fertigen. Jordan und ich haben alle Hände voll zu tun, und täglich kommen weitere Aufträge.«
»Er sollte einen weiteren Mann einstellen.«
»Das werde ich ihm auch gleich nachher vorschlagen, aber selbst dann werde ich nicht so schnell zu der Statue kommen. Doch ich wollte mich bedanken.«
Siegbert ging zu Gawin und legte ihm väterlich die Hand auf die Schulter. »Nun, da du der Bruder meiner liebreizenden Enkelin bist, solltest du dich daran gewöhnen, dass sich dadurch vieles in deinem Leben ändern wird.«
Gawin wusste nicht, wie er auf diese Ankündigung reagieren sollte, also blickte er erneut nur verschämt zu Boden.
»So, und nun möchte ich euch beiden etwas zeigen. Denn ich hätte heute, wärt ihr mir nicht zuvorgekommen, eh noch einen Boten ins Haus der Seifensiederin gesandt.«
»Wirklich? Weshalb?«
»Ich habe dir etwas zu berichten, meine Liebe. Und zu zeigen.« Siegbert schien zu überlegen, was er als Erstes tun wollte. »Kommt mit«, sagte er schließlich.
Sie folgten ihm aus dem Raum und über den oberen Korridor die Stufen hinab bis in die Eingangshalle, wo Siegbert vor einer der Türen haltmachte und seine Hand auf den Türgriff legte.
»Ich habe deine Kleider ein wenig unter den hochgestellten Bremer Damen herumgehen
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