Die Duftnäherin
gelernt, nachdem sie nie so schön oder zart gewesen war wie viele andere Mädchen des Dorfes, aus dem sie stammte. Doch schon früh hatte sie begriffen, dass sie anscheinend dennoch etwas an sich hatte, was die Männer anziehend fanden. Obgleich sie sich selbst nicht recht erklären konnte, was das sein mochte. Für eine Frau war sie zu groß, und so mancher Mann fühlte sich bedroht, sobald Margrite ihren beachtlichen Leib vor ihm aufbaute.
Im Städtchen herrschte reges Treiben. Es war kein Markttag, aber die ersten Händler begannen bereits, ihre Stände für den nächsten Tag aufzubauen. Ein zwischen ihnen umherschreitender Stadtbüttel sorgte dafür, dass ein jeder genau den Platz belegte, der ihm zugewiesen worden war. Margrite und ihre Begleiter würden ein gutes Stück abseits des Hauptplatzes ihre Waren anbieten müssen. Die guten Stände waren den ortsansässigen Händlern vorbehalten, die der Stadt nicht nur höhere Gebühren gemäß der Menge und Größe ihrer dargebotenen Waren zu entrichten hatten, sondern sich dank der ein oder anderen Münze aus der Hand einer hochgestellten Persönlichkeit auch den besten Standort sicherten. Doch das machte Margrite nichts aus. Sie wusste, dass die Waren, die sie anzubieten hatten, eine Besonderheit in kleineren Städten darstellten. Sie hatten noch immer ihr Geschäft gemacht. Die Weise, in der Anderlin und sie ihr Handelsgeschäft aufgebaut hatten, war mit viel Arbeit verbunden gewesen. Sie hatten die Lücke erkannt, die sich durch den stetig wachsenden Handel auf den Flusswegen auftat. Denn Orte, die an keinem oder nicht wenigstens an einem kleineren Strom lagen, wurden vielfach nur noch mit Waren beliefert, die für die Grundversorgung der Menschen ausreichten, jedoch nicht mit Gütern wie Gewürzen, edlen Tüchern oder eben der von Margrite hergestellten Seife. So kauften Anderlin und sie seit Jahren große Warenmengen ein, mit denen sie im Laufe des Jahres einmal quer durchs ganze Land zogen, um sie in kleinen Städten zu verkaufen. Manchmal nahmen sie dabei das Zehnfache von dem ein, was sie in den großen Anlegehäfen ursprünglich dafür bezahlt hatten. Hinzu kamen die Einnahmen aus der Seifenherstellung, ein Handwerk, auf das sich nur wenige verstanden. Margrite beherrschte die Kunst des Seifensiedens dagegen vollendet, und Jahr für Jahr stellte sie mehr Duftseifen her, um den unterschiedlichen Wünschen der Leute entgegenkommen zu können.
Margrite beobachtete einen Spielmann, der ein melodisches Liedchen auf seiner Flöte spielte. Er hielt das Instrument mit nur einer Hand; der linke Ärmel seiner Jacke hing dagegen leer an seinem Körper hinab. Für einen Moment fiel die Seifensiederin auf die kleine List herein. Dann beobachtete sie jedoch, wie der Musikant nach seinem Spiel dicht an einer Bürgerin vorbeiging und wie zufällig mit ihr zusammenstieß. Seine Flöte und der Inhalt ihres Korbes gingen zu Boden, und gemeinsam mit der Frau bückte er sich. Während sie die Habseligkeiten aus ihrem Korb wieder einsammelte, hob er mit einer Hand die Flöte auf. Doch unter seiner Jacke kam für einen Wimpernschlag seine andere Hand hervor, griff blitzschnell nach der Geldkatze der Frau und verschwand danach ebenso flink wieder unter der Kleidung, wie sie hervorgeschnellt war.
»Verzeiht, verzeiht!«, murmelte der Spielmann. »Vor nicht allzu langer Zeit habe ich meinen Arm verloren und bin noch etwas ungeschickt in meinen Bewegungen.«
Die Bürgerin schien verärgert, ließ es aber mit einem Blick auf den leeren Ärmel seiner Jacke bewenden. Wieder und wieder verbeugte sich der Dieb unterwürfig vor ihr, bis die Frau wieder ihres Weges ging und er sich in die andere Richtung davonmachte. Margrite grinste. Wie dumm die Städterinnen doch oftmals waren. Kaum dass sie einen vermeintlich Verstümmelten sahen, siegte schon ihr Mitleid über ihren Verstand. Margrite war es einerlei. Aber sie würde auf der Hut sein, wenn ihr ein Krüppel begegnete.
Die Gruppe ließ ihre Blicke in alle Richtungen schweifen, während sie langsam die Straße entlangging.
»Was glaubst du? Ob er wohl hier ist?«, fragte Anderlin. Margrite wusste sofort, dass er von Cecilies Mörder sprach. »Wenn ja, ist er noch dümmer, als ich dachte. Doch ich glaube, er hat sich eher nach Köln aufgemacht.«
»Was werden wir tun, wenn wir ihn sehen?« Binhildis war zu ihnen aufgerückt. Zwar hatte sie bisher kaum erkennen lassen, was sie über Cecilies Tod dachte. Doch dass ihr bei dem
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