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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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für die Handelsschiffe das Risiko, vor Irlands Küsten anzulegen. Hannos Familie verdiente von Monat zu Monat weniger, die Zeiten ständigen Hungerns nahmen zu. Hanno war etwa fünf Jahre alt, als sein Vater ihm und der Mutter erklärte, dass sie Irland verlassen müssten. Der Plan von Hannos Vater sah vor, an Bord eines Schiffes zu gehen, das einem Kaufmann gehörte, den er schon seit vielen Jahren kannte, und mit diesem in eine der reichen Hansestädte zu reisen. Sie gaben dem Kaufmann ihr letztes Geld dafür, und nach vielen Wochen auf See erreichten sie schließlich ihr Ziel. Hanno erinnerte sich noch an die Zuversicht, die in den Augen seiner Eltern gelegen hatte. Und der Kaufmann, an dessen Namen sich Hanno nicht mehr erinnerte, half seiner Familie in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft, so gut es ging. Alles schien sich zum Guten zu wenden, bis seine Mutter krank wurde. Zumindest hatte er das damals geglaubt. In Wahrheit trug sie jedoch ein Kind unter ihrem Herzen, das sie mit jedem Tag mehr schwächte, bis sie sich schließlich nicht mehr von ihrem Lager erheben konnte. Sein Vater arbeitete weiter als Tagelöhner und nahm verzweifelt jede weitere erdenkliche Stelle an, um seiner Familie in der neuen Heimat ein schönes Leben zu bereiten. Doch nur wenige Wochen nachdem sie das Lager nicht mehr hatte verlassen können, tat Hannos Mutter ihren letzten Atemzug. Er hatte noch immer das Bild vor Augen, das sich ihm geboten hatte, als er sie, bereits aufgebahrt, zum letzten Mal gesehen hatte, um für immer Abschied von ihr zu nehmen. Ihre Arme waren so dünn gewesen, dass sie Hanno an abgenagte Knochen erinnerten, ihre geschlossenen Augen hatten tief in den Höhlen gelegen. Nur ihr Bauch mit dem Kind darin, das ihr das Leben geraubt hatte, ragte prall nach oben und schien ihren gesamten Körper unter sich erdrücken zu wollen.
    »Ich habe dieses ungeborene Kind so sehr gehasst«, beschrieb Hanno seine damaligen Gefühle. »Gefreut habe ich mich darüber, dass es nun nicht mehr zur Welt kommen würde, weil es, wegen seiner bösen Absicht, meine Mutter zu zerstören, nun auch keine Rettung mehr für es selbst gab.«
    Die Mitglieder der Gruppe schwiegen betroffen.
    »Und dein Vater?«, fand Margrite als Erste ihre Stimme wieder.
    »Er ging danach fort und ließ mich zurück. Wahrscheinlich wusste er einfach nicht, wie er mich nun ganz allein versorgen sollte. Aber er hätte es verdammt noch mal versuchen müssen.« Hanno ballte die rechte Hand zur Faust. »Er gab mich schließlich im Findelhaus ab. Als ich zwölf wurde, rannte ich fort und lebe seither mal hier, mal dort.«
    Mehr sagte er nicht. Und obwohl Margrite das Gefühl hatte, dass er noch weit mehr zu berichten gehabt hätte, fragte sie nicht danach.
    Genau wie sie, Binhildis, Anderlin, Otto und Wolfker hatte auch er niemanden mehr auf der Welt. Wenn er sich ihnen gegenüber ehrlich verhielte und nicht versuchte, sie zu bestehlen, würde er bei ihnen bleiben können.
    »Lasst uns dort vorn Rast machen«, unterbrach Anderlin ihre Gedanken. »Wir werden Bremen heute ohnehin nicht mehr erreichen und können deshalb ruhig etwas langsamer weiterziehen und gegen Nacht in einer Schänke übernachten.«
    »Gibt es denn noch Wirtshäuser auf dem Weg?«, fragte Hanno.
    »Mehr als eine Handvoll«, beruhigte Anderlin ihn. »Wir sind den Weg schon oft gegangen. Die Wirte auf dieser Strecke kennen uns beim Namen.«

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    15 . Kapitel
    E s war nicht mehr dunkel um sie. Ihr kam es vor wie eine zärtliche Geste, dass Bruder Adolfus die Fackel in die Wandhalterung ihrer Zelle steckte, bevor er ging. Er kam inzwischen mehr als zweimal am Tag, um ihr Essen und Trinken zu bringen, ihre Notdurft fortzuräumen oder um einfach nur nach ihr zu sehen. Weder Bruder Hermannus noch einer der anderen Mönche kamen zu ihr herunter, was Anna mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis nahm. Bruder Adolfus meinte es gut mit ihr, und manchmal, wenn er seine Pflichten erledigt hatte, schenkte er ihr zusätzlich noch ein wenig von seiner Zeit, sprach und betete mit ihr. Sie wagte nicht, ihn darauf anzusprechen, wie es um ihre mögliche Entlassung aus dem Gefängnis stand. Zu groß war die Angst, den einzigen Freund, den sie hier unten hatte, zu verlieren oder ihm das Gefühl zu geben, von ihr benutzt zu werden.
    So unglaublich es ihr selbst erschien, hatte sie sich doch an ihre Situation gewöhnt, wenn auch nicht mit ihr abgefunden, denn dafür war sie entschieden zu jung. Sie würde

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