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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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reichen Fachwerkgebäuden, gekauft hatte, fiel es ihr von Jahr zu Jahr schwerer, sich aufzuraffen und durchs Land zu ziehen. Solange sie unterwegs waren, um ihre Seife anzubieten und Handelsware aus fernen Landen aufzukaufen und gewinnbringend wieder unter die Leute zu bringen, kümmerte sich Agnes, die Frau des Schmieds, um ihre Kate und beherbergte dort auch Fremde und Reisende. Den Gewinn für Kost und Logis teilten die beiden unter sich auf. Auf diese Weise erwarteten Margrite stets ein paar Münzen, wenn sie in ihr Heim zurückkam. Wobei der Begriff Heim nicht ganz passend war. Sie kam nach Bremen, in die Stadt der stolzen Handelsleute und Gilden. Ein wahres Zuhause war ihr die Stadt nie geworden, doch das machte ihr nichts. Zwar wünschte sie sich insgeheim nichts so sehr, als das Gefühl zu haben, in ihr eigenes Heim zurückkehren zu können. Doch war ihr dies seit der Zeit verwehrt, in der sie mit solcher Härte aus dem Ort, den sie ihr Zuhause genannt hatte, vertrieben worden war, dass ihr Puls auch heute noch heftiger zu schlagen begann, sobald sie nur daran dachte.
    »Na, wo bist du denn mit deinen Gedanken?«
    Anderlins Stimme ließ sie zusammenfahren. Bestürzt nahm er es zur Kenntnis.
    »Ich wollte dich nicht erschrecken. Verzeih!«
    »Schon gut.«
    Anderlin beugte sich näher zu ihr heran. »Was ist denn, Margrite?«
    Ihre Stirn legte sich in Falten. »Was soll schon sein? Ich will endlich ankommen, genau wie du. Bin froh, wenn ich mal weniger zu tun hab.«
    »Ach, Margrite.« Seine Stimme klang wie immer versöhnlich und ruhig. »Wie lange kenne ich dich nun schon? Sind’s am Ende fünf, sechs oder gar noch mehr Jahre? Ich sehe doch, dass dich etwas bedrückt. Willst du es mir nicht sagen?«
    Sie blickte mürrisch drein, ohne etwas zu erwidern. Er legte seine Hand auf die ihre.
    »Gritchen, Gritchen! Wenn du’s nicht sagen willst, soll’s mir auch recht sein. Aber wenn du’s am Ende doch noch loswerden möchtest, dann weißt du ja, wo du mich findest.«
    Er erhob sich von der Bank. Schnell fasste Margrite nach seiner Hand und hielt ihn zurück, so dass er sich rasch wieder zu ihr setzte.
    »Bist du’s nicht auch manchmal leid?«
    »Was denn?«
    »Das Umherziehen. Immer auf der Suche nach Waren, die andere Händler nicht anbieten, immer in Schänken übernachten, wo selbst das Wasser stinkt, als hätt das Vieh sich drin entleert. Nie im eigenen Bett aufzuwachen und des Nachts stets eine Hand am Griff der Klinge. Hast du nicht auch das Gefühl, dass wir langsam zu alt für so etwas werden?«
    Anderlin strich sich nachdenklich über den Bart. »Da ist schon was Wahres dran«, gestand er ein. »Und du, mit deiner Seifensiederkunst, könntest dich ja auch leicht niederlassen.« Er seufzte leise. »Doch ich bin nur ein einfacher Händler. Und wenn ich meinen Kunden nicht biete, was andere nicht haben, bleibt das Geld am Ende aus. Was sollte ich dann tun? In einem Dorf festsitzen und die Leut anbetteln?«
    Margrite sah ihn mit einem zärtlichen, fast schon liebevollen Blick an. Sie schien mit sich zu ringen, ob sie das, was ihr auf den Lippen lag, auch aussprechen sollte. Doch dann verschwand das zärtliche Lächeln, und Margrites Gesicht nahm seinen gewohnt unnahbaren Ausdruck an.
    »Hast schon recht«, sagte sie, tätschelte dabei Anderlins Bein und stand auf.
    Er sah ihr nach, als sie die Gaststube verließ. Leid tat sie ihm, doch wollte er sich dies nicht anmerken lassen. Er hatte ihr nie gesagt, dass er ihre Geschichte kannte und wusste, was ihr zugestoßen war. So viele Jahre schon bereisten sie Seite an Seite die Handelswege, standen einander bei und sorgten fast wie Eheleute füreinander. Doch in all der Zeit hatte Margrite nie den Mut gefunden, oder vielleicht auch nur ihre Scham überwunden, und ihm erzählt, was er bereits wusste. Und er würde einen Teufel tun und ihr gestehen, dass er die Wahrheit darüber kannte, was ihr widerfahren war.
    Er hatte weder neugierig noch hinter ihrem Rücken gefragt. Der Mann, der ihm Margrites Schicksal, oder, besser gesagt, Herlindes, wie sie mit richtigem Namen hieß, erzählt hatte, sprach ihn eines Tages auf dem Markt an. Anderlin hatte bemerkt, dass der Fremde sie schon eine geraume Zeit lang vom gegenüberliegenden Stand aus beobachtet hatte. Zwar konnte man Margrite nicht wirklich schön nennen. Dafür war sie zu groß und zu kräftig gebaut, und ihr Gesicht besaß nicht die lieblich feinen Züge, die Männer an Frauen in der Regel als anziehend

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