Die Duftnäherin
empfanden. Doch wer sie einen Moment länger ansah, fühlte sich dennoch von ihr angezogen. Ob es an ihrem Witz oder der unkomplizierten Art lag, mit der sie die Welt betrachtete, wusste Anderlin nicht zu sagen. Jedenfalls hatte er sich nicht weiter darüber gewundert, dass der Mann sie aus sicherer Entfernung anstarrte. Doch kaum dass Margrite den Stand kurz verließ, kam der Fremde auch schon herüber und sprach Anderlin an. Zu dessen Überraschung meinte er, dass er froh sei, Herlinde wohlauf in Anderlins Begleitung wiederzusehen. Er hätte sich ein ums andere Mal gefragt, was wohl aus ihr und ihrem Kind geworden wäre.
Anderlin verstand zunächst nicht, von wem er sprach, bis ihm der Fremde erklärte, dass er damit die Frau meinte, die soeben fortgegangen war.
»Margrite?«, hatte Anderlin verwundert gefragt.
»Margrite? So nennt sie sich jetzt also?«
Spätestens ab diesem Moment war Anderlins Neugierde geweckt gewesen, wenngleich er sich fragte, ob er wirklich hören wollte, was der Mann ihm zu berichten hatte. Doch dann beschloss er, sich die Geschichte anzuhören, überließ Hertwig, einem ihrer damaligen Mitreisenden, die Aufsicht über den Stand und ging mit dem Fremden in eine der umliegenden Schänken.
Heinfried, wie sich ihm der Mann nun vorstellte, kam aus dem gleichen Dorf wie Margrite und kannte sie schon von Kindesbeinen an. Als Margrite ungefähr siebzehn Jahre alt gewesen war, hatten einige Dörfler einen Fremden verwundet am Straßenrand liegen gefunden. Ob er wirklich so krank gewesen war, wie er tat, bezweifelte Heinfried im Nachhinein. Er hatte dem Kerl von Anfang an nicht getraut. Die Dörfler brachten ihn in das Haus, das Margrites Vater gehörte. Er war einer der Wortführer des kleinen Ortes, hoch angesehen und bei allen beliebt. Ein Mann mit Einfluss, auf dessen Rat man etwas gab. Margrite pflegte den Fremden Tag und Nacht, behandelte seine Wunden, kochte für ihn und – verliebte sich. Weshalb der alte Volkmar in die Heirat seiner Tochter mit diesem Taugenichts einwilligte, verstand Heinfried bis heute nicht. Hätte Volkmars Frau Magda, Margrites Mutter, damals noch gelebt, wahrscheinlich wäre es nie zu diesem unglückseligen Bund gekommen.
Denn Egbert, so hieß Margrites Mann, erwies sich genau als der Versager und Faulpelz, den Heinfried vom ersten Moment an in ihm gesehen hatte. Margrite arbeitete wie ein Pferd und schuftete sich den Rücken krumm, während er seine Tage in der Schänke verbrachte und jeder Frau, die nicht schnell genug das Weite suchte, unter den Rock fasste. Doch weder sie noch ihr Vater wollten etwas davon wissen.
Etwa drei Monate lebten sie zusammen, da wurde Margrite schwanger. Trotz der harten Arbeit wirkte sie überglücklich, verrichtete all ihre Aufgaben ohne jeden Verdruss und freute sich von Tag zu Tag mehr auf den Moment, an dem sie das erste Mal ihr Kind in den Armen halten würde. Egbert scherte sich um nichts, doch Margrite verzieh ihm alles. Eines Tages, Heinfried mutmaßte, dass Margrite nur wenige Wochen vor der Geburt ihres Kindes stand, geschah das Unfassbare. Egbert hatte sich schon vor einer Weile mit Berta, der Frau des Schmieds, eingelassen und lag ihr regelmäßig bei. Bis auf deren Mann und Margrite schien jeder im Dorf Bescheid zu wissen. An diesem Tag nun erwischte der Schmied, als er gemeinsam mit einigen seiner Freunde das Haus betrat, sein untreues Weib mit Egbert, und ein fürchterlicher Streit entbrannte. Die beiden Männer schlugen aufeinander ein, wobei der Schmied klar die Nase vorn hatte und Egbert wie einen räudigen Köter aus seinem Haus prügelte. Dieser zog wütend und unter dem johlenden Gelächter der Männer davon. Irgendwann am Abend war er jedoch von allen unbemerkt zur Schmiede zurückgekehrt und steckte sie in Brand. Die Männer rannten aus dem Haus, um das Feuer zu löschen, während Egbert nur dastand und lachte. Der Schmied ging erneut auf ihn los und verpasste ihm einen harten Schlag, holte aus und wollte nochmals zuschlagen, als Egbert ihm ein Messer mitten ins Herz rammte. Die Männer verharrten in ihrem Bemühen, das Feuer zu löschen. Berta warf sich wie von Sinnen über den Körper ihres toten Mannes und verfluchte Egbert. Ein Tumult brach aus. Egbert rannte, verfolgt von den Männern, in sein Haus, in dem die schwangere Margrite schon schlief. Er verbarrikadierte sich in der Kate, und Margrite, durch den Lärm geweckt, eilte ihrem Mann zu Hilfe. Einige Zeit lang hämmerten die Männer noch gegen die
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