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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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lebten. Doch mit der Duldung der Ungläubigen lassen wir den Teufel in unseren Reihen tanzen.« Er bückte sich und vollführte eine Drehung, als tanze er um ein imaginäres Feuer.
    Ein banges Gefühl stieg in Esther auf. Schon öfter hatte sie die Menschen von den Ungläubigen reden gehört, wusste jedoch nie, wen sie damit eigentlich meinten. Vor allem verstand sie nicht, weshalb jemand den Teufel, den die Christen so sehr fürchteten, in ihre Mitte bringen sollte. Zwar hatte sie keine Vorstellung davon, was es mit dieser furchterregenden Kreatur tatsächlich auf sich hatte, doch der Gedanke, dass ihre Nachbarn in Gefahr waren, machte ihr Angst. Niemand sollte unter diesem Teufel zu leiden haben, weder Christ noch Jude noch sonst irgendein Andersgläubiger.
    Der Mann auf dem Brunnen erhob abermals die Stimme, und Esther war gespannt zu erfahren, was er den Zuhörern noch zu berichten hatte. Sie erschrak, als jemand ihren Arm ergriff.
    »Ihr solltet hier nicht stehen bleiben«, sagte der Mann, den sie als einen Händler namens Wyland kannte. Ein Christ, der mit ihrem Vater Geschäfte machte.
    »Ich grüße Euch«, gab sie schüchtern zurück. »Doch weshalb sollte ich nicht hier stehen bleiben?«
    Er zog sie am Arm mit sich fort, bis sie ein gutes Stück außer Sichtweite des Brunnens und der Menschen um ihn herum waren.
    »Weil bei einer solchen Rede schnell die Stimmung umschlagen kann«, erklärte ihr der Patrizier. »Ihr solltet nach Hause gehen.« Seine Worte klangen fürsorglich, so als fürchte er, dass ernsthafte Gefahr für sie bestände.
    »Aber weshalb?« Esther sah ihn aus ihren großen braunen Augen fragend an. »Der Mann auf dem Brunnen warnt vor einem Teufel in der Mitte der Bürger. Gibt es diesen Teufel wirklich? Und wenn ja, was will er von uns? Sind wir in Gefahr?«
    Ihr Gegenüber biss sich auf die Unterlippe und zögerte mit der Antwort. Dann fasste er sie an den Schultern und sah ihr eindringlich in die Augen. »Esther, Ihr müsst mit Eurem Vater über das sprechen, was Ihr hier gehört habt. Eilt Euch und geht zu ihm.«
    »Aber ich muss noch Kräuter kaufen«, erklärte sie zögernd.
    Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Um Eurer eigenen Sicherheit willen, geht nach Hause.« Er sah sich in alle Richtungen um. »Ich werde Euch begleiten«, entschied er kurzentschlossen und zog sie einfach mit sich.
    Esther wagte nicht ihm zu widersprechen und ließ sich bis vor das Haus ihres Vaters führen.
    »Geht hinein und sprecht mit ihm«, forderte er sie nochmals auf. »Und sagt Eurem Vater auch, dass er mir, wenn er Hilfe braucht, eine Nachricht schicken soll. Und nun geht.« Er drückte sie in Richtung Tür.
    Sein Gesichtsausdruck spiegelte eine solche Sorge wider, dass Esther, ohne zu wissen, weshalb, eine gewaltige Angst in sich aufsteigen spürte. »Habt Dank.«
    Eilig öffnete sie die Tür und ließ sie sogleich wieder hinter sich ins Schloss fallen. Aus einem unbestimmten Gefühl heraus schob sie auch gleich noch den Riegel vor. Erschöpft ließ sie sich gegen das Holz sinken.

    Die Stimmen, die sie hörte, sprachen aufgeregt durcheinander. Ihr Vater hatte die Tür zu seinem Arbeitszimmer geschlossen. Mehr als die Wortfetzen, die zu ihr nach draußen drangen, konnte Esther nicht verstehen. Sie rang mit sich, ob sie ihren Vater mitten in seiner Unterredung stören sollte, entschied sich dann aber dagegen. Er mochte es nicht, mit etwas behelligt zu werden, wenn er Gäste hatte. Sollte sie vielleicht Sophia danach fragen, was die Rede des Mannes am Brunnen zu bedeuten hatte? Doch die Haushälterin war eine Christin, und vielleicht würde Esther sie mit ihrem Bericht über die Ungläubigen und das Eindringen des Teufels in die Mitte der Bürger nur ängstigen. Also hastete sie lautlos die Stufen hinauf und ließ sich in ihrem Zimmer auf ihre Bettstatt sinken. Einen Lidschlag lang blieb sie dort liegen, glitt dann von der Schlafstatt auf den Fußboden hinab und sank auf die Knie, um bei Adonai für die Christenmenschen wegen der ihnen bevorstehenden Gefahr zu beten.

    Entspannt an eine Hauswand gelehnt, verfolgte Helme zufrieden das Geschehen vor dem Brunnen. Die Stimme des Hetzers schien aus Furcht vor dem drohenden Unheil geradezu zu beben. Wäre er mit dem Kerl nicht selbst immer wieder die Rede durchgegangen, wäre auch er von ihrem Inhalt überzeugt gewesen.
    Er war nun schon mehr als eine Woche hier, und der Tag, an dem der ausgeschickte Bote zurückkehren musste, stand unmittelbar bevor. Wenn

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