Die Duftnäherin
ganz auf die Diskussion richtete.
»Und sie ungestraft ihrer Wege ziehen lassen?« Wyland sah zornig aus.
Cornelius sammelte rasch seine Gedanken. Ein letzter Blick auf seinen Bruder verriet ihm, dass sich die Sitzung für diesen in die von ihm gewünschte Richtung entwickelte.
»Lasst Sie uns befragen«, schlug Cornelius, einer plötzlichen Eingebung folgend, vor.
»Befragen?« Selbst Wyland schien überrascht.
Cornelius warf Egidius einen Blick zu, der diesen auf der Stelle erkennen ließ, dass sein Bruder Bescheid wusste. »Wenn sie wirklich von jemandem angestiftet worden sind, werden sie einer peinlichen Befragung nicht standhalten«, erklärte Cornelius.
»Du willst sie foltern lassen?« Egidius war aufgesprungen. »Nur weil sie für ein bisschen Aufregung gesorgt haben?«
»Ein bisschen Aufregung«, wiederholte Cornelius in spöttischem Tonfall die Worte seines Bruders, »dürfte dafür wohl kaum die treffende Bezeichnung sein, nicht wahr? Aber um das gleich richtigzustellen und deine Befürchtung zu zerstreuen: Es geht zunächst einmal nur um eine Befragung.« Betont ruhig faltete er die Hände vor der Brust und setzte sich in seinem Stuhl zurück. »Fangt nicht mit dem Rädelsführer oder dessen Weib an. Der Henker soll sich zuerst einen der tanzenden ›Brüder‹ des Predigers vornehmen. So dürften wir der Wahrheit am schnellsten auf die Spur kommen.«
Er blickte Egidius bei diesen Worten ins Gesicht.
Der war blass geworden. Blanker Hass stand in seinen Augen. Dieser verfluchte Bastard! Er wollte ihn brennen sehen! Der Blick seines Bruders hatte ihn erkennen lassen, dass er alles wusste. Doch woher zum Teufel? Niemand wusste Bescheid, außer Helme. Doch dieser hasste die Juden ebenso sehr wie er, vielleicht sogar noch etwas mehr. Aber konnte er deshalb einen Verrat von Helmes Seite tatsächlich ausschließen? Was wusste er denn wirklich von dem Kerl, der sich ihm und den Kölnern als reicher Mindener Kaufmann vorgestellt hatte? Dass Helme ein Lügner war, wusste Egidius nur zu gut, war er doch dem Boten, den Albrecht zu Helmes Anwesen ausgesandt hatte, zufällig direkt nach dessen Rückkehr in Köln begegnet. Aufgeregt hatte dieser ihm mitgeteilt, dass er auftragsgemäß in die besagte Gegend geritten war, es dort jedoch niemanden gab, der einen Helme von Minden kannte. Schnell hatte man ihm deutlich gemacht, dass sein Herr einem Betrüger aufgesessen sein musste. Weshalb er Albrecht nun so schnell wie möglich Bericht erstatten wollte. Egidius musste eine Entscheidung treffen. Und genau das hatte er getan. Es war schon Abend gewesen, und die kleine Gasse am Hafen menschenleer. Blitzschnell hatte er seinen Dolch hervorgezogen und ihn dem Boten ins Herz gerammt, noch ehe dieser begriff, dass er einen Fehler gemacht und die Auskunft dem falschen Ratsmann anvertraut hatte. Egidius fühlte sich Helme auf eine Art und Weise verbunden, die er sich selbst nicht erklären konnte. Doch jetzt kamen Zweifel in ihm auf, ob die bedingungs- wie skrupellose Entscheidung zugunsten des Freundes richtig gewesen war. Er hatte alles riskiert, um Helmes Geheimnis nicht ans Licht des Tages kommen zu lassen. Gemordet hatte er sogar dafür – zum ersten Mal in seinem Leben. Und wenn er nun genauer über die ganze Sache nachdachte, war Helme auch derjenige gewesen, der ihn dazu verführt hatte, den Pöbel zu seinem Treiben am Dom anzustiften. Fürwahr, er war Feuer und Flamme für Helmes Plan gewesen, den Hass der Kölner gegen die Juden so weit voranzutreiben, dass es den Juden unmöglich sein würde, weiterhin in der Stadt zu leben und ihren Geschäften nachzugehen.
Aber womöglich hatte er bei den Vorbereitungen für das Schauspiel auf dem Domplatz einen Fehler gemacht und nicht alle Spuren, die auf ihn hinwiesen, gut genug verwischt. Im Moment konnte er sowieso nichts anderes tun, als Schadensbegrenzung zu betreiben. Wenn er sich jetzt dafür starkmachte, die Aufrührer nicht zu befragen, setzte er sich dem Verdacht aus, selbst der Auftraggeber gewesen zu sein. Andererseits wusste nur der Anführer der Gruppe, der Prediger, wer sein Auftraggeber war. Die Gedanken schwirrten nur so in seinem Kopf umher. Was sollte er tun?
»Wir sollten abstimmen«, unterbrach ihn Johann Overstolz von Efferens Stimme in seinen Überlegungen. »Wer für eine Befragung des Pöbels ist, hebe bitte die Hand!«
Mit nur wenigen Ausnahmen stimmten die Ratsherren für die Maßnahme. Schnell hob auch Egidius den Arm – unter keinen
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