Die Dunkelgräfin: Das Geheimnis um die Tochter Marie Antoinettes (German Edition)
Herrscher Frankreichs ansah, wollte er keinen neuen Konflikt mit Frankreich. Die Bourbonen waren daher nur als Gäste willkommen, mussten die vorsichtige Linie der österreichischen Diplomatie respektieren und sich jeglicher politischen Betätigung enthalten. 2
Als Aufenthaltsort wurde ihnen der Hradschin in Prag zugewiesen, wo sich die Familie Anfang November zusammenfand. Trotz der Vorbehalte der österreichischen Regierung wurden sie als Teil der kaiserlichen Familie akzeptiert. Die Herzogin von Angoulême fuhr mindestens einmal im Jahr nach Wien und hatte offenbar ihre eigenen Appartements in der Hofburg. 3 Auch die Kaiserfamilie stattete den Bourbonen Besuche ab.
»Prag ist nahe Wien, auch Berlin und Russland. Und es ist angemessen«, kommentierte die Herzogin dem Marquis de Villeneuve gegenüber den neuen Wohnort. Sie wohnten umgeben von den Mächten, die weiterhin das Prinzip der Legitimität verteidigten, und es war ein Palast, der ihrem Rang entsprach. 4 Der Hof umfasste etwa 100 Personen, deren Zahl sich beim Tod der jeweiligen Prinzen entsprechend verringerte. Das Hofleben wurde nach wie vor durch eine Etikette geregelt, die weniger streng war, aber doch den nötigen Respekt gegenüber dem Königtum garantierte.
Am 2. 3. 1835 starb Kaiser Franz II., sein Nachfolger, der neue Kaiser Ferdinand I. beanspruchte die Prager Burg für sich, und so begann für die Bourbonen im Frühjahr 1836 erneut die Suche nach einem Asyl in Österreich. Als Sommerresidenz kauften sie schließlich das Schloss Kirchberg am Walde, die Winter verbrachten sie auf Schloss Grafenberg bei Görz (Nova Gorica).
Am 6. 11. 1836 starb Charles X. an der Cholera, er wurde in der Bourbonengruft des Franziskanerklosters Kostanjevica bei Görz beigesetzt. Sein Sohn, der Herzog von Angoulême, der sich nun Louis XIX. nannte, verteidigte in einer Proklamation seinen ungebrochenen Anspruch auf den französischen Thron, teilte aber gleichzeitig mit, dass er den Titel nur im Exil trage. Sein Ziel sei die Einsetzung seines Neffen Henri als einziger legitimer König Frankreichs. Das Herzogspaar führte in diesen Jahren ein sehr zurückgezogenes Leben. Sie verbrachten viel Zeit miteinander und zeigten am politischen Leben der Zeit kaum mehr Interesse. Ihr Leben verlief sehr einfach und gleichmäßig. Sie standen jeden Tag um fünf Uhr auf und gingen in den Gottesdienst. Danach folgten Spaziergänge im Wald, ein wenig Lesen und Handarbeiten, gemeinsame Mahlzeiten. Wenn sie abends mit den wenigen verbliebenen Hofleuten beisammensaßen und das Gespräch auf vergangene Zeiten kam, wehrte die die Herzogin jedes Mal ab und bat darum, über weniger traurige Dinge zu reden. 5
Nachdem der Herzog von Angoulême am 3. 6. 1844 gestorben war, ließ sich die Herzogin in Schloss Frohsdorf südlich von Wiener Neustadt in Niederösterreich nieder.
In der Frohsdorfer Zeit erhielt die Herzogin von Angoulême zahlreiche fürstliche Besuche, unter anderem mehrfach von Königin Marie von Hannover, einer geborenen Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen, von den Fürsten von Modena, Toskana und Sachsen-Coburg, von Erzherzogin Sophie von Österreich und ihren Söhnen Franz Joseph und Maximilian, der ehemaligen Duchesse de Berry, jetzt Gräfin Lucchesi, sowie ihrer Cousine Marie-Louise von Parma, der Exkaiserin und ehemaligen Gemahlin Napoleons.
1848, als auch Louis Philippe gezwungen wurde, Frankreich zu verlassen, hoffte die Herzogin noch einmal, dass das Volk nun ihren Neffen auf den Thron rufen würde. Stattdessen wurde Louis Napoleon Bonaparte, ein Neffe Napoleons, an die Spitze des Staates gewählt.
In den Jahren des Exils holte die Vergangenheit sie immer wieder ein. Häufig meldeten sich Personen bei ihr, die behaupteten, sie wären ihr verschollener Bruder. Man kann verstehen, dass sie diese Menschen nicht kennenlernen wollte. Es sei zu schmerzhaft, meinte sie, wenn sie wieder enttäuscht würde.
Das zweite Problem, mit dem sich die Herzogin von Angoulême von 1833 bis zu ihrem Tod herumschlagen musste, war die Erpressung durch Madame de Soucy, ihrer ehemaligen Untergouvernante, die sie 1795 anstelle von Madame de Mackau nach Wien begleitet hatte. Es ging um ein Geheimnis, das die Herzogin ihr unterwegs anvertraut hatte. 18 Jahre lang hat sie sich erpressen lassen, und das hat sie insgesamt 140 Millionen Centimes 6 gekostet. Zunächst ignorierte sie die Erpresserbriefe aus Frankreich. Erst als Madame de Soucy drohte, ihr geheimes Wissen an den Herzog von
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