Die dunkle Armee
diplomatischen Dienst.« Roberto kicherte und warf einen Blick zu Adranis. Wieder war er von Stolz erfüllt. Ein hervorragender junger Mann, voller Tatkraft und Leidenschaft, die er für die Konkordanz einsetzen wollte. Es erinnerte Roberto an seine eigene Jugend. »Komm schon, Meister Del Aglios. Du bist ein Soldat der heutigen Legionen. Wie schätzt du die Lage ein?«
»In allen Unterkünften reden die Leute darüber.« Adranis blickte zu den Feinden. »Offensichtlich reicht ihre gegenwärtige Stärke nicht aus, um uns allen Ernstes anzugreifen. Außerdem lassen sie uns Zeit, Verstärkungen zu holen und unsere Artillerie aufzustellen, wie wir es wollen. Es ist, als wollten sie, dass wir uns so gut wie möglich vorbereiten, und das kann nicht sein.«
»Dann denkst du, sie wollen überhaupt nicht angreifen?«
»Das ist die große Frage«, sagte Adranis.
»Was haben sie vor?«
»Es muss ein Ablenkungsmanöver sein. Wir warten auf Nachrichten aus dem Süden, dass sich andere tsardonische Verbände den Grenzen nähern. Bisher haben wir noch nichts gehört, doch sollten wir uns über das südliche Atreska Gedanken machen. Dort unten sind wir schwach, und das Land ist in Aufruhr.«
»Nicht zum ersten Mal.« Roberto kratzte sich am Kopf. »Ich bin nur nicht sicher, ob ich wirklich an ein Ablenkungsmanöver glauben soll.«
»Hast du eine bessere Idee?«
»Nein. Wir sind weit im Norden, und selbst wenn man annimmt, dass sie die gosländischen Streitkräfte in Atem halten und binden wollen, können sie damit nicht sehr viel erreichen. Wenn deine Boten jetzt zurückkehren und melden, dass im Süden vor Haroq die tsardonischen Truppen die atreskanische Grenze angreifen, besteht kein Grund, ein paar tausend Leute hierherzuschicken, nur um die Bärenkrallen zu beschäftigen.«
»Vielleicht sind ihre Spione unzuverlässig, und sie halten uns hier für stärker, als wir es tatsächlich sind.«
Roberto schüttelte den Kopf. »Diese Grenze ist nicht sicher. Ein Heer kann sie nicht unbemerkt überschreiten, aber ein paar Späher? Das wäre sehr einfach. Außerdem haben die Tsardonier hier und in Atreska viele Sympathisanten. Nein … sind wir ganz sicher, dass keine weitere Armee zur Unterstützung nachrückt?«
»In den nächsten Tagen wird hier nichts passieren. Deine sirranischen Kontaktleute haben nichts gefunden, und auch unsere Späher konnten nichts entdecken.«
»Dann sind sie vielleicht wirklich nur hier, um uns zu ärgern.«
»Das glaubst du doch selbst nicht, Roberto.«
»Nein, eigentlich nicht. Also kehre ich zu meiner ersten Theorie zurück. Uns entgeht irgendetwas Offensichtliches. Schau sie dir doch an – keine Artillerie, keine Kavallerie. Nur ein paar Ochsen, die Vorratswagen ziehen, und sie plündern in der Umgebung. Wenn sie nicht im Solastro eine Mannschaft zu den Bogenschießwettbewerben schicken wollen, weiß ich nicht, was sie überhaupt vorhaben. Denk doch mal darüber nach, Adranis. Sie haben sich nirgends sonst blicken lassen. Wir waren lange vor ihnen hier, um die Brücke zu verteidigen. Bequemer können sie es uns doch eigentlich nicht machen.«
Roberto wandte sich wieder an Adranis, der die Stirn runzelte und sich unter dem Helm mit dem grünen Federbusch am Kopf kratzte.
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst«, sagte er.
»Wenn sie nicht in den nächsten Tagen angreifen, habe ich keine Rechtfertigung mehr, länger hier zu bleiben. Ich will nur nicht, dass du oder sonst jemand vorschnelle Schlüsse zieht. Es kommt mir höchst eigenartig vor. Als die Sirraner mir sagten, dass die Tsardonier in diese Richtung ziehen, habe ich mir Sorgen gemacht. Die geringe Größe ihrer Streitmacht und ihr scheinbarer Mangel an Entschlossenheit können daran nichts ändern.«
»Ich verstehe.«
»Ich meine nur, ihr müsst vorsichtig sein. Ihr seid ein Juwel in der Krone der Konkordanz. Mutter würde es mir nie verzeihen, wenn du hier draußen fallen würdest, nur weil einer von uns nicht aufgepasst hat.«
»Ich werde mich nicht in meine Decken hüllen und mich verstecken, Roberto. Ich bin Kavallerist und kann kämpfen. Das ist meine Aufgabe, wie es deine war.« Adranis richtete sich trotzig auf.
»Das habe ich nicht gemeint.« Roberto legte ihm einen Arm und die Schultern, zog ihn an sich und sprach leise weiter. »Vergiss nur nicht, wer du bist. Wirf nicht wegen eines vielleicht falschen Gedankens dein Leben weg. Die Tsardonier sind gerissen und wissen, dass du hier bist. Als Ziel bist du wichtiger
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