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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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eilten die Tsardonier zur Straße. Dort brach die Deckung der Kavallerie zusammen, die Reiter waren in Unterzahl und erschöpft. Auch die Pferde waren müde, und da es weder Unterstützung noch Ablösung geben würde, war der Ausgang unvermeidlich.
    Mitten auf dem Schlachtfeld lösten sich die Legionäre der Bärenkrallen, die dies noch konnten, aus dem Kampfgeschehen und eilten ebenfalls die Straße hinauf, was die Tsardonier, die Kell eigentlich zurückhalten wollte, nur noch stärker anspornte. Dann die Toten. Der gute Gott umfange sie, die Toten bildeten eine neue Frontlinie, der sich niemand in den Weg stellte.
    »Wir müssen hinter sie«, rief ihr ein Hauptmann ins Ohr. »Wir müssen sie zwingen, sich umzudrehen.«
    Er beobachtete die Tsardonier, die der Kavallerie zehn zu eins überlegen waren, was sich sogar noch stetig zugunsten der Tsardonier veränderte. An diesem Tag würden sie keinen Ruhm erwerben. Sie konnten höchstens noch hoffen, irgendwie zu überleben und für die anderen etwas Zeit herauszuschlagen, damit diese über den schmalen Weg bis zu den Felsen fliehen konnten. Der Gedanke trieb ihr eine Träne ins Auge. Es war ein schwieriger, anstrengender Aufstieg. Sie und Nunan waren vor nicht einmal zehn Tagen dort oben gewesen, um sich zu entspannen und zu üben. Es hatte Spaß gemacht, und der Ausblick war beeindruckend gewesen. Wie schnell sich die Welt verändert hatte.
    »Dann können sie uns dort abschlachten. Wir säßen zwischen der Burg und dem Flussufer in der Falle«, widersprach sie. »Wir können nur versuchen, für die Infanterie so viel Zeit zu gewinnen wie möglich. Hier unten werden wir die Gegner nicht bezwingen.«
    »Und falls sich die Toten gegen uns wenden?«, fragte er.
    »Dann reitet Ihr fort, Hauptmann, und vereinigt Euch mit der Legion. Irgendwann werden wir alle auf unseren zwei Füßen Schulter an Schulter mit den Hastati kämpfen und unser Bestes geben. Ich werde ihnen nicht die Pferde in den Weg stellen.«
    Der Hauptmann nickte. »Was soll ich nun tun, Rittmeisterin Kell?«
    »Gebt die Botschaft weiter. Wir bilden eine einzige Kampfgruppe. Los jetzt.«
    Er nahm zwei andere mit, und sie sah ihm hoffnungslos hinterher.
     
    »Dahnishev!«, schrie Roberto. »Dahnishev!«
    Er war dem Zusammenbruch nahe. Seine Arme zitterten vor Anstrengung, Adranis’ Wunde blutete immer noch, und nur der unablässige Blutstrom bestärkte Roberto in dem Glauben, dass sein Bruder noch lebte. Herides war vor ihm und versuchte, den Feldarzt zu finden. Einige Leute drehten die Köpfe oder rannten ihm bereits entgegen. Er brauchte keinen von ihnen.
    »Macht euch wieder an die Arbeit.« Er unterdrückte ein Schluchzen. »Holt mir Dahnishev her.«
    Inzwischen war er schon dicht vor der abweisenden dunklen Wand, in der nur ein einziger tiefer Einschnitt den Zugang auf den gut hundert Schritte höher liegenden Felsen erlaubte. In der Schlucht bewegten sich Leute, und hinter den Bäumen, die den Abhang bedeckten, schlugen die Soldaten Zelte auf. Einige schleppten auch Material oder kümmerten sich um die Verwundeten, die auf improvisierten Tragen oder irgendwo auf dem ebenen Boden lagen.
    Es war schwer, etwas zu erkennen, die Bäume standen dicht. Das Laufen war schwieriger als weiter unten. Hier oben herrschte ein großes Durcheinander, so viele Legionäre schrien vor Schmerzen. Anscheinend war jeder einzelne Grashalm mit Blut besudelt.
    »Dieser Aufgestiegene, dieser verdammte Aufgestiegene«, murmelte er. »Das wirst du mir büßen, Gorian Westfallen. Büßen sollst du.«
    »General?«
    Roberto blickte nach links. Ein blutbespritzter Arzt lief neben ihm.
    »Ja?«
    »Dahnishev ist dort hinten.«
    Roberto war unendlich erleichtert. »Danke, mein Freund.«
    »Lasst mich Euch helfen.«
    »Nein, zeigt mir nur den Weg.«
    Es war nicht weit. Ein kleines Zelt, den Knitterfalten nach zu urteilen nagelneu, im Windschatten der Felswand. Die Soldaten räumten den Bereich davor und richteten den Platz für die Schwerverletzten ein. Roberto hörte Dahnishevs Befehle, und die Stimme kam ihm vor wie ein Ruf zum Gebet. Er schob sich durch die Leinwandbahnen ins Zelt hinein und keuchte, als ihm der Geruch von Blut und Erbrochenem entgegenschlug. In dem viereckigen Zelt, das höchstens sieben Schritte tief war, lagen mehr Verwundete, als er auf einen Blick zählen konnte. Dahnishev hatte in einer Ecke einen Operationstisch aufgebaut und war bis zu den Ellenbogen voller Blut. Auch sein Gesicht und die übrige Kleidung

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