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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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über deine Stärke. Aber wir brauchen einen Aufgestiegenen, der auf unserer Seite kämpft.«
    »Die sind doch alle in Estorr, Dina«, zischte Nunan.
    »Dann sollten wir Botschaften schicken, dass sie möglichst rasch hierherkommen, denn sonst marschieren bald Tote durch das Siegestor. Wir müssen uns jetzt zurückziehen. Lass alles liegen, was uns behindert, und verschwinde so schnell wie möglich.«
    »Ich werde keinen Gefallenen zurücklassen«, erwiderte Nunan. »Dir ist doch klar, dass sie genau dies wollen?«
    »Entweder das, oder wir geben ihnen noch mehr, weil wir zu langsam sind.« Kell deutete zur Burg. »Meine Kavallerie steht jetzt schon unter starkem Druck. Ein Durchbruch, und die Gegner fallen über dich her.«
    Der Wind zerrte an ihren Mänteln und ihren Haaren. Noch nie hatte eine sanfte Brise unter erfahrenen Soldaten solche Angst ausgelöst. Einige duckten sich instinktiv und rechneten mit einem heftigen Windstoß, doch es kam kein neuer Wirbelsturm. Was jetzt geschah, war viel schlimmer. Hinter der neu aufgebauten Frontlinie der Legion regte sich etwas. Ein träges Zucken toter Muskeln. Augen, die für immer hätten geschlossen bleiben müssen, öffneten sich wieder. Ein von seinem Mantel bedeckter Mann richtete sich auf, als hätte Gott ihn abrupt geweckt. Der Mantel rutschte von seinem Gesicht, und ein winziger Blutfaden lief aus einer Stirnwunde herab. Wer in seiner Nähe war oder einen der vielen anderen beobachten musste, bei denen das Gleiche geschah, suchte sein Heil in der Flucht.
    In der ganzen Legion ertönten Schreie, die immer lauter wurden. Die Herzen der Kämpfer waren von Angst eingeschnürt, ihr Wille war gebrochen. Die Tsardonier mussten nicht einmal angreifen. Der Aufgestiegene brauchte keinen neuen Sturm, sondern hatte seine Aufgabe höchst wirkungsvoll erledigt. Die Bärenkrallen, soweit sie noch rennen konnten, drehten sich um und liefen weg.
    Kell riss den Mund auf. Ihr Pferd schnaubte, wich zurück und drohte gar, sie umzureißen. Sie konnte die Stute gerade noch halten. Nunan versuchte schreiend, Ordnung zu schaffen, aber seine Rufe verloren sich in der Panik.
    »Sie laufen fort«, brüllte Kell ihm ins Gesicht. »Geh mit ihnen. Bleibe bei denen, um die du dich noch kümmern kannst.«
    Dann packte sie die Zügel und sprang wieder in den Sattel.
    »Dina, komm mit.«
    »Ich gebe euch Deckung, so gut ich kann, und komme mit der Kavallerie von Westen. Wir können nicht in der Nähe der Toten reiten. Geh jetzt, Pavel.«
    »Stirb mir nicht«, sagte er.
    »Dieser Tag ist für mich noch nicht gekommen«, erwiderte sie. »Und für dich auch nicht.«
    Doch als sie fortritt, sah Dina, wie Pavel und einige seiner tapfersten Soldaten von den gefallenen Kameraden umringt wurden, und fand keinen Trost in ihren eigenen Worten.
     
    Roberto rannte so schnell er konnte. Adranis lag wie tot in seinen Armen, seine Wunde blutete stark. Schon waren Robertos Kleider und seine Handschuhe völlig durchnässt. Sein Herz pochte heftig, und jeder Schlag tat ihm weh. Er durfte nicht daran denken, wen er auf den Armen trug. Er durfte nicht in Panik geraten.
    Die Legion war in Auflösung begriffen. Über einigen Manipeln flatterten noch die Banner, aber Roberto musste ständig auf seine Füße achten, um nicht auf Tote oder Verwundete zu treten. Er hatte nicht einmal mehr genug Kraft, um zornig zu sein. Das würde später kommen. Diese Niederlage war ein Verbrechen, das nach Rache schrie. Zuerst aber galt es zu überleben, um sich später noch einmal gegen den Feind zu wenden.
    Er eilte durch die Reihen der entmutigten Kämpfer, die ihn im Zwielicht durch den Staub anstarrten. Viele Männer und Frauen kreischten. Einige bekamen Hilfe, wo sie gestürzt waren, oder wurden fortgetragen. Die meisten aber blieben sich selbst überlassen.
    Roberto wusste kaum, wohin er rannte. Die Zeltreihen und die provisorische Palisade waren verschwunden. Jetzt fragte er sich, ob er überhaupt noch einen Arzt finden würde, ganz zu schweigen von Dahnishev. Und selbst wenn er ihn fand, war es fraglich, ob der Wundarzt helfen konnte.
    Hinter sich hörte er das Brüllen der tsardonischen Armee, das Klirren der Waffen und das Donnern der Hufe. Nur noch Dina Kell bewahrte die Truppe vor der völligen Vernichtung und verschaffte den Bärenkrallen ein wenig Zeit, sich neu zu formieren. Roberto eilte weiter durch die chaotischen Linien der Infanterie und wies alle Hilfsangebote zurück. Vom Lager waren nur einige Zeltstangen

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