Die dunkle Armee

etwas in die Hand, oder sieh zu, wie sie fallen und sich den Toten anschließen.«
    Nunan zögerte.
    »Du hast keine Zeit mehr, General«, sagte Roberto. »Erforsche dein Gewissen später. Wir müssen die da vernichten, bevor die Kavallerie aufgerieben ist und die Tsardonier mit voller Kraft angreifen. Nimm deinen Soldaten die Angst.«
    Endlich nickte Nunan. »Entfacht die Kerzen«, sagte er.
    »Ja, General«, sagte ein Ingenieur.
    Im Laufschritt kamen die Vertreter des Ordens den Weg herunter. Roberto drehte sich zu ihnen um.
    »Lasst euch nicht von ihnen ablenken.« Er winkte den Ingenieuren. »Beeilt euch. Ein Wurfgeschoss in jede Hand, und betet, während ihr werft.«
    Nunan wandte sich an seinen Hornisten. »Gib Signal zum Einstellen der Kampfhandlungen.«
    Der Hornist starrte ihn ungläubig an. »General?«
    »Mach schon«, fauchte Roberto. »Sonst sterben die Bärenkrallen.«
    Sie zündeten die Kerzen an, die Ingenieure waren bereit. Julius Barias und drei Leser des Ordens näherten sich laut schreiend; sie waren völlig außer sich. Nunan dagegen wurde es von innen heraus kalt. Seine Gedanken rasten, sein Puls schlug heftig, und er hatte Mühe, die zitternden Arme ruhig zu halten. Er nickte dem Hornisten zu, der endlich das Signal gab. Roberto nahm zwei Flaschen und hielt sie dem Ingenieur hin, der die Kerze angezündet hatte.
    »Möge Gott uns vergeben, was wir heute tun«, sagte er.
    »Mögen unsere Freunde uns vergeben«, fügte der Ingenieur hinzu.
    Auf das Hornsignal, die Kampfhandlungen einzustellen, reagierten die Soldaten der Konkordanz mit Verwirrung. Zenturionen drehte sich um und suchten eine Erklärung. Sie sollten eine bekommen, die ihnen jedoch nicht gefallen würde.
    »Ich hoffe, du liegst richtig, Roberto«, sagte Nunan.
    »Vertrau mir.«
    Die Legion zog sich zurück. Es war eine kontrollierte Bewegung, die möglichst schnell und ohne Opfer eine Lücke von vier und dann zehn Schritten aufreißen sollte. Doch die Toten waren nicht wie die anderen Gegner, die vielleicht froh gewesen wären, eine Verschnaufpause zu bekommen und sich gegen die ständige Bedrohung durch die Pfeile zu wappnen. Sie rückten einfach nach und schlossen die Lücke gleich wieder.
    Der Ingenieur zündete die Lunten der Flaschen an, die Del Aglios und zwei andere Ingenieure hielten. Auch Nunan bückte sich und nahm zwei Flaschen. Roberto ging nach vorn zur Kampflinie und verscheuchte die Soldaten. Julius Barias rannte, Gift und Galle speiend, hinterher. Als Roberto ausholte, um zu werfen, nahm Barias ihm die Flasche weg und warf sie hinter sich, wo sie auf einem Stein zerschellte und das Gras in Brand steckte. Ein greller Fleck in der trüben Dämmerung.
    Del Aglios drehe sich um, auch die Lunte seiner zweiten Flasche brannte.
    »Rührt mich noch einmal an, und Ihr bekommt selbst die Flammen zu spüren, Barias.«
    »Ich bin ein Vertreter des Allwissenden, und Ihr werdet …«
    »Und ich bin ein Mann, der versucht, sein Volk und sein Land zu retten«, erwiderte Del Aglios.
    Er versetzte Barias einen festen Stoß, dass dieser stolperte und rückwärts in die Arme seiner Leser kippte. Dann nahm Roberto die Flasche in die Wurfhand und schleuderte sie in hohem Bogen.
    »Nein, General, nein!«
    Ein Zenturio hatte sich eingeschaltet. Andere fielen ein, und alle verfolgten den Flug der Flasche. Die Flamme beleuchtete die im durchsichtigen Glas schwappende Flüssigkeit, und die nach oben gewandten Gesichter waren starr vor Entsetzen. Sie war noch nicht einmal gelandet, da rief Roberto schon nach einer weiteren. Dann schlug sie ein. Sie prallte gegen den Helm eines toten Legionärs der Bärenkrallen. Das Naphthalin spritzte und fing Feuer, und der Flammenregen deckte zwanzig weitere Tote ein.
    Vier weitere Flaschen folgten rasch nacheinander, bis das Zentrum der Armee der Toten aufgerieben war. Die Bärenkrallen wichen einen weiteren Schritt zurück. Entsetzte Schreie wurden laut, aber die Schreie der Toten übertönten alles andere. Alle, ob sie brannten oder nicht, ließen die Waffen fallen. Alle drehten sich zu den Bärenkrallen um. In den bisher leeren Augen flackerte Enttäuschung, und den Mündern der brennenden Toten entfloh ein schreckliches Wehklagen. Nunan war sogar sicher, das Wort »Warum?« herauszuhören. Es zerriss ihm das Herz und lähmte seine Kraft.
    »Aufhören!«, rief er. »Kein Feuer mehr. Bärenkrallen, greift sie an und rettet alle, die ihr retten könnt.«
    Die Toten erhoben keine Hand. In ihrer Mitte